G e d i c h t e

M. Kaleko: Temporäres Testament

Nacch meinem Tode (Trauer streng verbeten) verlaß ich diesen elenden Planeten. Wenn Plato recht hat – Plato ist mein Mann – : Erst wenn man tot ist, fängt das Leben an.

Kapitel Eins beginnt mit dem Begräbnis, der Seele letztes irdisches Erlebnis. Auf meines freue ich mich heute schon! Da gibt es keine Trauerprozession.

Kein Lorbeerkranz vom Bund der Belletristen, kein Kunstvaein hat mich in seinen Listen, kein Dichtazirkel…. Sagen wir es schlicht: Gesellig war die sanft Entschlafene nicht.

Der Redakteur, den sie einst tödlich kränkte, als er sein Mäntlein nach dem Winde hängte, hat ihren Nachruf lange schon gesetzt. Der schließt: „M.K. war reichlich überschätzt.“

Diverse Damen und Herren Gatten zuzeiten eine Schwäche für mich hatten, die werden selbst im Regen Schlange stehen, um mich auch wirklich mausetot zu sehen.

J.W. Goethe: Erlkönig

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Vater mit seinem Kind; er hat den Knaben wohl in dem Arm, er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.

Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? – Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht? Den Erlenkönig mit Kron und Schweif? – Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.-

„Du liebes Kind, komm, geh mit mir! Gar schöne Spiele spiel ich mit dir; manch bunte Blumen sind an dem Strand, meine Mutter hat manch gülden Gewand.“

Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht, was Erlenkönig mir leise verspricht? – Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind; in dürren Blättern säuselt der Wind. –

„Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn? Meine Töchter sollen dich warten schön; meine Töchter führen den nächtlichen Reihn, und wiegen und tanzen und singen dich ein.“

Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort Erlkönigs Töchter am düstern Ort? – Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau: Es scheinen die alten Weiden so grau. –

„Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt; und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.“ Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an! Erlkönig hat mir ein Leids getan! –

Dem Vater grausets, er reitet geschwind, er hält in Armen das ächzende Kind, erreicht den Hof mit Müh und Not; in seinen Armen das Kind war tot.

J.W. Goethe: Gefunden

Ich ging im Walde so für mich hin, und nichts zu suchen, das war mein Sinn.

Im Schatten sah ich ein Blümchen stehn, wie Sterne leuchtend, wie Äuglein schön.

Ich wollt es brechen, da sagt es fein: Soll ich zum Welken gebrochen sein?

Ich grubs mit allen den Würzlein aus, zum Garten trug ich´s am hübschen Haus.

Und pflanzt` es wieder am stillen Ort; nun zweigt es immer und blüht so fort.