Zur aktuellen Lage

= Bei Angela Merkel hat sich nicht viel geändert: Sie hält an ihrer 70-Stunden-Woche fest und fliegt dahin, wo es weh tut: In die ärmste Region der Welt – die Sahel-Zone. Sie will – auch im Interesse Deutschlands – diesen Ländern beim Aufbau ihrer Wirtschaft helfen und damit u.a. die Migration eindämmen. Während bei einer Großveranstaltung in Mailand der Hetzer Salvini mit Le Pen und Konsorten unter dem Slogan „Italien zuerst“ gegen Macron, Merkel und Juncker zu Felde zieht, fliegt Merkel nach Zagreb, um die dortige Regierungspartei „Kroatische Demokratische Gemeinschaft“ beim Europa-Wahlkampf zu unterstützen. Merkel wird begeistert als Ikone Europas gefeiert, bleibt in ihrer Rede aber ganz cool: „Europa ist ein Projekt des Friedens. Wir in Deutschland haben jetzt 74 Jahre Frieden. Sie in Kroatien haben noch in den neunziger Jahren Krieg führen müssen. Sie wissen, was das bedeutet.“ Frieden aber lasse sich nur erhalten, „wenn wir auf der einen Seite unsere Interessen vertreten – die deutschen, die kroatischen, die aller anderen Mitgliedstaaten – und auf der anderen Seite in der Lage sind, uns in die Schuhe der anderen zu versetzen. Der Patriotismus und die EU sind keine Gegensätze. Unsere Werte heißen, daß wir stolz auf unser eigenes Land sein können und gleichzeitig Europa bauen.“

Zur gleichen Zeit hetzt der ehemalige BILD-Chef Tiedje auf Primitiv-Niveau in der NZZ gegen Merkel: „Aber bleiben wird, was Merkel hinterlässt: die Folgen der ungehinderten Zuwanderung mit Selfies, Migrationskatastrophe, Verwahrlosung von Kommunen, Mitschuld am Brexit, eine in ihren Kosten noch nicht ansatzweise überschaubare sogenannte Energiewende, Mindestlohn, Maut, das tragische Ende der atlantischen Partnerschaft. Schlechtbehandlung der deutschen Automobilindustrie durch die Regierung und: die AfD.“ (Liebe Neue Zürcher Zeitung: Solche Typen wie Tiedje passen nicht zu Euch !!)

= In dieser NZZ schreibt Roger de Weck einen ganzseitigen Artikel mit der Überschrift: „Fünf hartnäckige Legenden über die EU. Es gehötz zum guten Ton, die EU schlechtzureden. Dabei ist sie ziemlich erfolgreich, beliebt und zukunftweisend – eine Art europäische Eidgenossenschaft. Die Presse mag spektakuläre Ereignisse, die EU ist dagegen eine zähe Entwicklung. Der Journalismus dramatisert gerne Konflikte, doch die EU lebt von Kompromissen unter ihren Mitgliedern. Der Medienbetrieb liebt Stars und Superstars, während erfolgreiche Kompromissmaschinen – in Bundesbern wie in Brüssel – ganz solide Menschenwerker brauchen, ohne Talent für das politische Show-Business. Ein zweites Handicap der EU: Die Vorlieben vieler Journalisten sind genau die der Populisten; auch sie nähren die Illusion, Politik sei ein schnelles Ding. Populisten suchen den Konflikt und meiden den Kompromiss, sie treiben den Personenkult und ziehen der Sachpolitik Showeinlagen vor. Populisten sind schreckliche Vereinfacher.

Die fünf Legenden:

  • Die EU ist unpopulär. Nein ! Die EU ist unter den Bürgern so beliebt wie noch nie seit 1983. Ca. 70 Prozent sehen es als Vorteil an, dass ihr Land in der EU ist; 14 Prozent wollen den Ausstieg aus der EU:
  • Die EU ist in der Krise. Nein ! Die EU erlebt einen Schub nach vorn. Endlich streitet Europa auf offener Bühne und nicht am grünen Tisch. Bewahrt die EU das Erbe der Aufklärung oder neigt sie zum christlichen Abendland ? Hat Emmanuel Macron recht oder Victor Orban ?
  • Die Bedeutung einer Friedensunion ist veraltet. Nein ! Die Regierung Orban kann sich als EU-Mitglied nicht mal eben die ungarischen Minderheiten aus dem Umland einverleiben. Der Zerfall des sowjetischen Imperiums hätte erfahrungsgemäß zahllose und endlose Konflikte nach sich ziehen müssen. Aber es blieb friedlich in den osteuropäischen Staaten, weil die EU ihnen den Beitritt anbieten konnte. Wo ein schneller Beitritt nicht möglich war, wie in der Ukraine und auf dem Balkan, dort floss Blut.
  • Die EU ist viel zu komplex. Nein ! Nordeuropa, die Niederlande, Deutschland oder die Schweiz gedeihen, weil sie sich ohne Scheu vor Komplexität und Mühsal als permanenten Verhandlungsraum begreifen, die Macht auf viele Köpfe verteilen, die Bürger achten, Sozialpartnerschaft pflegen und auf Kompromisse setzen.
  • Die EU ist undemokratisch. Nein ! Das Europaparlament ist erstarkt. Allerdings bleibt die EU halb Staatenbund, halb Bundesstaat. Nur in einem europäischen Bundesstaat würde sich die Demokratie vollends entfalten. Gerade diesen „Superstaat“ fürchten die EU-Skeptiker wie die Pest. Scheinheilige EU-Kritiker bemängeln das Demokratiedefizit – lehnen aber ab, was mehr Demokratie brächte.

Die EU ist, wie die Eidgenossenschaft, ein ganz großer Kompromiss – darum werden alle allzeit mit ihr hadern, das ist ganz natürlich. Aber die mittlere Zufriedenheit ist weit größer als die mittlere Unzufriedenheit. Voriges Jahrhundert artete der Aufprall der Nationen zu Weltkriegen aus. Da war evident, dass Europa sich neu ordnen musste. Aber die populistischen Reaktionäre, die jetzt auftrumpfen und dabei manche Bürgerliche beeindrucken, sind unfähig, Lehren aus der Geschichte zu ziehen.