Chodorkowski ? Da war doch mal was.

Michail Chodorkowski hat sein Firmenimperium in der korrupten Jelzin-Ära geschaffen und war der reichste Mann Russlands, als Putin zum ersten Mal Präsident wurde. Neben Chodorkowski hatten sich einige weitere Oligarchen das Land unter den Nagel gerissen und dabei legale, halblegale und illegale Aktivitäten praktiziert. Präsident Jelzin ist mein paar Milliarden ruhig gestellt worden.

Als Putin an die Macht kam, wusste er natürlich, wer die Eigentümer seines Landes waren. Präsident Putin handelte pragmatisch, zitierte die Oligarchen zu sich, verlangte sofortige politische Abstinenz und war bereit, den Herrschaften ihre erbeuteten Firmen zu überlassen. Alle hielten sich an Putins Anweisung – nur Chodorkowski nicht; der wollte sowohl politischer als auch wirtschaftlicher Anführer Russlands werden.

Die deutschen Medien haben uns damals berichtet, dass „Chodorkowski von Putin ins Lager gesteckt wurde“, dass es sich um eine „politische Verfolgung“ handele und dass der russische Staat gegen Chodorkowski einen „politischen“ Prozess führe. Der Tenor der Russland-Berichterstattung hat sich in deutschen Medien bis heute nicht geändert: Putin lässt seine politischen Konkurrenten ohne Rechtsgrundlage verurteilen und einsperren. Chodorkowski ist ein gutes Beispiel:

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg weist im Jahr 2011 Chodorkowskis Klage gegen die russische Justiz zurück, das Verfahren gegen ihn sei politisch motiviert gewesen. Was schreiben die Medien zu diesem Urteil:

  • „Chodorkowski scheitert mit Klage gegen Russland. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte rügt Haftbedingungen des Russen, sieht aber keine Beweise für einen politischen Prozess. Amnesty International ordnet Chodorkowski als politischen Gefangenen ein.“ (Süddeutsche Zeitung)
  • „Gericht verurteilt Russland, weil Chodorkowski im Gericht in einem Käfig vorgeführt wurde.“ (In diesem Bericht der WAZ wird mit keinem Wort erwähnt, dass Chodorkowski in der Hauptsache mit seiner Klage gescheitert ist)

In einem weiteren Verfahren hatte Chodorkowski den EUGH wegen „versteckter Enteignung“ durch den russischen Staat angerufen; dazu schrieb die Süddeutsche Zeitung: „Yukos (die Firma Chodorkowskis) erzielt Teilerfolg gegen Russland – aber abermals konnte sich das Gericht nicht dazu durchringen, politische Motive hinter den Steuernachforderungen und Strafzahlungen zu sehen:“

Thomas Fassbender, der in Moskau lebte, schreibt in seinem Buch „Freiheit statt Demokratie“, dass Chodorkowski mit der russischen Dessidenten-Tradition, für die der Name Andrej Sacharow steht, nichts gemein hat. Die westlich-demokratische Karte begann er erst zu spielen, als mit Putins Machtantritt seine eigene, unter Boris Jelzin errungene Position ins Wanken geriet.“

Prof. Rainer Zahlten in einem FAZ-Leserbrief: „Chodorkowski hat inzwischen den Status eines Märtyrers erreicht; seine unbestreitbare Karriere als Raubtierkapitalist, der sich am Staatsvermögen der zerfallenden Sowjetunion bereicherte und in Rekordzeit zum reichsten Oligarchen Russlands wurde, ist tunlichst vergessen. Es ist schon faszinierend wie man als korrupter Oligarch zum Publikumsliebling hochgeschrieben werden kann.“

Wenn Sie, liebe Leser, die ganze Wahrheit über Herrn Chodorkowski wissen wollen, dann lesen Sie das Buch „Chodorkowski – Leben, Mythen und andere Wahrheiten“ von Viktor Timtschenko (Herbig-Verlag). Im Klappentext heißt es: „Auf der Suche nach tieferen Beweggründen für Chodorkowskis Verhaftung im Jahr 2003 setzt der Autor das Leben des Oligarchen wie ein Puzzle zusammen: Er nimmt dessen Geschäftsgebahren unter die Lupe und zeigt dabei die genialen Schachzüge des Senkrechtstarters auf: Von Steuerhinterziehung über Scheinverkäufe bis hin zu Morden, die nachweislich mit Chodorkowskis Konzern Yukos in Verbindung stehen, ist alles zu finden, was einen aufstrebenden jungen Mann auf dem Weg zu Geld und Macht voranbringen kann.“ Und die ARD-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz schreibt im Vorwort: „Auch ich habe geglaubt, was immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt wurde, dass es nämlich Chodorkowski war, der als erster Oligarch Bilanzen in Russland offengelegt und westliche Standards in seinem Unternehmen eingeführt hat. Dabei war es ganz anders. Erst als die Staatsanwaltschaft bereits ermittelte, hat Chodorkowski seine sogenannte transparente Firmenstruktur geschaffen, die ihn in der ganzen Welt berühmt machte. Alles davor ist an Intransparenz und Trickserei auf Kosten der Allgemeinheit kaum zu überbieten. Timtschenko beweist , dass ein hoch intelligenter und eiskalt planender Chodorkowski die Gunst der Jelzin-Ära nutzte, um sich zum reichsten Mann Russlands aufzuschwingen und auch die politische Macht anstrebte.“

Gegen die russischen Oligarchen, zu deren Anführern Boris Beresowskij und Chodorkowski gehörten, ist die italienische Cosa Nostra ein Kleingartenverein. Dennoch wurde Präsident Putin in westlichen Medien als das Monster abgebildet. Ende Mai 2011 stellten sich sieben Menschen auf Putins Seite: Die sieben Richter des Straßburger Gerichtshofs für Menschenrechte urteilten, dass Chodorkowski kein Opfer politischer Justizwillkür und kein politisch Verfolgter ist. Die Klage von Michail Chodorkowski wurde abgewiesen.

Chodorkowski strebte früh nach politischer Macht; bereits 1993 wurde er stellvetretender Minister für Brennstoffe und Energie; bis 1994 war er auch Mitglied des Rats für Industriepolitik und finanzierte mit anderen Oligarchen die Wiederwahl von Boris Jelzin. In dieser Phase „erwarb“ Chodorkowski sein Firmenimperium.

Die ZEIT schrieb damals: „Er symbolisiert das Gute und Geläuterte im Kampf gegen das Böse.“

Und die WELT entblödet sich nicht und gibt Herrn Chodorkowski am 20. Juli 2020 – zehn Jahre nachdem alle kriminellen Machenschaften auf dem Tisch liegen – Gelegenheit, sich als von Putin verfolgter Saubermann zu präsentieren.