Notizen zu Europa

= Die Zeitung „de Volkskrant“ aus Amsterdam schreibt: „Sie will ein grüneres und sozialeres Europa und mehr geopolitische Einigkeit. Die Rede zur Lage der Union, die die EU-Kommissionsvorsitzende Ursula von der Leyen hielt, war eine der besten Brüsseler Thronreden, seit die EU 2010 mit dieser Tradition begann. Von der Leyens Bericht hatte eine deutliche Botschaft: Europa, nutze die Chance, die sich in der Corona-Krise ergibt, bevor es zu spät ist.“

Zum gleichen Thema schreibt „Sme“ (Bratislava): „Die Rede von der Leyens hat all jene erfreut, die sagen, die Pandemie hat uns empfindsamer für Verletzlichkeiten gemacht und uns damit besser auf die Lösung der Klimakrise vorbereitet. Erfreut sind auch jene, die eine Bestätigung dafür erhoffen, dass die EU eine Wertegemeinschaft auch nach außen darstellt. Dass wir also nicht nur zuschauen sollen, wenn Lukaschenka Wahlen fälscht, in Russland die Opposition krepiert und in China die Uiguren eingesperrt werden.“

(In deutschen Medien hat man solch positiv/konstruktive Kommentare vergeblich gesucht)

= „Le Figaro (Paris): „Das Europa, mit dem der chinesische Präsident verhandelt, ist sich nicht nur der expansionistischen Absichten des kommunistischen Giganten bewusst. Europa beginnt auch, das Ausmaß seiner eigenen Kraft zu erkennen. Der Zugang zu seinem Binnenmarkt rechtfertigt die Forderung nach Gegenseitigkeit. Man sieht auf einmal, dass der alte Kontinent seine Bedingungen stellt: fairer Wettbewerb, Respekt des internationalen Rechts, Stopp der Technikspionage und der Desinformtion. Die 27 Staaten sind einmal im Ganzen einig !!!“

= Olivér Várhelyi, der aus Ungarn kommende Erweiterungskommissar der EU über die Beitrittsperspektive für die Balkanstaaten: „Länder, die der EU beitreten wollen, benötigen stabile Institutionen, müssen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und den Schutz von Minderheiten gewährleisten. Der Beitrittsprozess basiert auf strengen aber fairen Bedingungen, Grundlagen wie die Rechtsstaatlichkeit stehen im Zentrum. Wir helfen den Kandidaten, die Bedingungen einschließlich der demokratischen Kriterien zu erfüllen. Gleichzeitig helfen wir ihnen bei der wirtschaftlichen Entwicklung. Zum Beispiel wollen wir alle Hauptstädte des westlichen Balkans mit Autobahnen und Eisenbahntrassen verbinden.“

= Albaniens Ministerpräsident Edi Rama: „Ohne Europa gibt es keine Träume auf dem Balkan.“ Albanien ist offiziell EU-Beitrittskandidat.

= Björn Ulvaeus in der S.Z.: „Warum hat Europa ein so geringes Selbstwertgefühl? Wenn es sich wegen seiner gewalttätigen Kapitel der Vergangenheit schlecht fühlt, was ja richtig ist, könnte es etwas wieder gutmachen, indem es das Zepter ergreift, das derzeit nutzlos am Boden liegt, und zum neuen Anführer der liberalen Demokratien werden. Während es der imaginären Gemeinschaft Nordamerikas gelang, Patriotismus und Stolz auf ihre Einzigartigkeit zu wecken, kam Europa dem nicht einmal nahe. Dabei ist doch der Reichtum seiner Geschichte und Kultur beispiellos.

Ich habe gerade Robert Harris´wunderbare Trilogie über den römischen Staatsmann und Redner Cicero gelesen und fühlte mich ihm so verbunden. Ein europäischer Landsmann. Auf dieselbe Art fühle ich mich mit Beethoven, Voltaire, Hume, Piaf, McCartney, da Vinci, Lagerlöf, Curie, Einstein, Kafka und vielen, vielen anderen verbunden.

Stellen Sie sich vor, man könnte kreative Menschen aller Art in Europa dazu bringen, ein europäisches „Wir“ zu gestalten. Nicht als Gegensatz zu den „Anderen“, kein arrogantes oder chauvinistisches „Wir“, sondern eines, das offen und vor allem inspirierend sein könnte in diesen dunklen Zeiten.“

= „Die EU ist wie der Kölner Dom: Er muss von jeder Generation weiter gebaut werden.“ (Alexander Graf Lambsdorff)

 
 

Demokratie und Qualitätsmedien und die AfD

Vor ein paar Tagen hat ein AfD-Funktionär ausgesprochen, was einige tausend AfD-Mitglieder und einige hunderttausend Wutbürger denken: Nochmal ein oder zwei Millionen Flüchtlinge in einem Jahr und dazu ein paar Attentate mit möglichst vielen Opfern – dann gewinnen wir die nächste Bundestagswahl und können dieses Flüchtlingspack einsperren und nach Hause schicken und die Täter vergasen.

Die Erfolge der AfD basieren darauf, Angst zu schüren, gegen Muslime zu hetzen, die Nazi-Verbrechen klein zu reden (Vogelschiss), die Europäische Union und den Euro zu verachten und vor allem auf der millionenfach verbreiteten Politik-Verdrossenheit- und Abstinenz. Es ist absurd: Je erfolgreicher unser Land ist, desto mehr Menschen verlassen die Parteien und schimpfen oder hetzen gegen „die da oben“ oder gegen „die Politiker“.

Die Wortführer bei dieser Hetze sind seit vielen Jahren die sogenannten Qualitätsmedien. Glauben Sie nicht? Bitte lesen Sie:

  • Für den Mord an Susanna F. wurde natürlich Angela Merkel und ihre „Grenzöffnung“ im Jahr 2015 verantwortlich gemacht; so bringt der „Stern“ auf der Titelseite unter der Überchrift „Merkels Flüchtlingspolitik“ ein Foto des Opfers, einen Flüchtlingstreck und das rot eingefärbte Gesicht der Kanzlerin. Der „Stern“ schreibt: „Der 1. Juni 2018, der Tag des Hilferufs der Mutter von Susanna F., war exakt der 1000. Tag nach jener längst geschichtsträchtigen Grenzöffnung für Flüchtlinge.“
  • „Terror am Breitscheidplatz – Ein Jahr danach – die Angehörigen der Opfer klagen die Kanzlerin an.“ (SPIEGEL)
  • „Laut einer Umfrage halten 68 Prozent der Deutschen Martin Schulz als neuen Kanzler für kompetent. Ironisch könnte man anmerken: Wer nichts wird, wird nicht Wirt, sondern Politiker – zumindest in Deutschland.“ (Focus Money)
  • Handelsblatt Titelseite – Ein Tag vor der Bundestagswahl: „Während Metropolen wie Berlin oder München wachsen, veröden anderswo ganze Landstriche. Zu diesem Ergebnis kommt der neue Raumordnungsbericht. Die Regierung hätte das brisante Papier gern bis nach der Wahl unter Verschluss gehalten.“
  • FAZ a.S.: „Was sich Politik nennt, ist nur das Weiterreichen von Zeitbomben.“
  • Weltwoche: „Die Griechen haben nicht nur die Demokratie erfunden, sondern auch das wirksamste Mittel gegen die Demokratie: die Politiker.“
  • Die unseriöseste Zeitschrift Deutschlands – Focus Money: „Wenn die Politik derartige Gesetze erlässt, ist sie für mich nur eines: Gierig und verlogen. Merke: Wer sich auf die Versprechen unseres Staates verlässt, ist verlassen.“
  • SPIEGEL-Titelseite: „Frank-Walter Steinmeier – Ein Mann, der mit seiner Bescheidenheit protzt.“
  • WELT a.S.: „Wie verlogen ist Politik? Dass Politik und Ehrlichkeit nicht unbedingt zusammen gehören, ahnten wir schon lange.“
  • Der Philosoph Habermas in der Süddeutschen Zeitung: „Für die Kanzlerin waren schon 2010 die Anlegerinteressen wichtiger als ein Schuldenschnitt zur Sanierung der griechischen Wirtschaft.“
  • Riesenschlagzeile in der FAZ a.S.: „Politiker sind käuflich.“
  • FAZ a.S.: „Es wird ungemütlich an der Börse. Die Anleger müssen sich 2017 auf einiges gefasst machen: Notenbanker und unberechenbare Politiker bedrohen unsere Zukunft.“
  • Süddeutsche Zeitung: „Viele Kulturen ekeln sich vor Kot und schmierigen Politikern.“
  • DIE ZEIT: Riesenschlagzeile Titelseite mit einem Foto von Angela Merkel: „Das Schweigen der Politik. Das große Insektensterben und warum die Regierung nichts tut.“
  • DIE ZEIT: „Wir sind Komplizen! De Maizière ist politisch verantwortlich für den massenhaften Tod im Mittelmeer.“
  • Süddeutsche Zeitung: „Kleiner Mann – was nun? Der Beruf des Politikers war einmal eine geschätzte Profession. Er handelte von Leidenschaft, Gemeinsinn und dem Bohren dicker Bretter. Heute dealt das politische Personal mit Sponsoren, lädt Geschäftspartner auf Dienstreisen ein und öffnet feierlich das Teilstück einer Landstraße.“

Den widerlichsten Artikel habe ich ausgerechnet in „meiner“ Zeitung (FAZ) gelesen; der Feuilleton-Chef Edo Reents berichtet über ein Rede, die Angela Merkel in Harvard gehalten hat: „Die weiteren Deutschland-Merkel-Etappen trägt sie in einem „Sendung mit der Maus“-Ton und in schlichten Hauptsätzen vor. Es hat keinen Sinn, sich auch nur mit einem einzigen Satz inhaltlich auseinanderzusetzen. Sie war heilfroh, dass sie mit ihrem abgestandenen Zeug hier so prima durchkam. Nichts wie weg hier, am Ende merken die noch, dass man Deutscher ist.“

In einem FAZ-Leserbrief heißt es, dass „kein ordentlicher, bodenständiger, intelligenter Mensch sich in der Politik engagieren will.“ Dieser für Leserbriefe typische Satz ist dumm, inakzeptabel und gefährlich und basiert auf der jahrelangen Lektüre sogenannter Qualitätsmedien.

Nichtwähler und AfD-Wähler und LINKE-Wähler machen zusammen über 50 Prozent unserer lieben Mitbürger aus und die Parteien leiden an massivem Mitgliederschwund. Die sogenannten Qualitätsmedien haben diese Entwicklung mit zu verantworten.

Wir müssen unbedingt die Europäische Union so stark machen, dass sie eine Wiederholung unserer kommunistischen und nationalsozialistischen Geschichte verhindern kann.

 
 
 
 

Kurz und interessant

= „Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.“ (Helmut Qualtinger)

= The American Way of Life: In die Entwicklung von Virtual-Reality-Pornos, in denen Sie sich Ihren Avatar designen und grenzenlosen Hardcore-Sex in 3D haben können, fließen derzeit gigantische Summen an Geld. Der Markt wächst rasant.

= Achtzig Prozent der Patienten mit Brustkrebs werden geheilt.

= Wir müssen g l e i c h z e i t i g die Wirtschaft wieder aufbauen und wetterfest machen u n d die Klimakrise bewältigen !!

= Immanuel Kant auf die Frage „Was ist Aufklärung?“: „Aufklärung besteht im Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Aus Faulheit und Feigheit unterwirft sich der Mensch den Satzungen und Formeln religiöser und politischer Autoritäten.“ Der Wahlspruch der Aufklärung, so Kant, sei: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ In Zeiten von Verschwörungstheoretikern und Millionen Anhängern antidemokratischer Parteien ist Kant aktueller denn je!

= Kein Scherz !!! Der Intendant des ZDF Bellut fordert eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags mit folgender Begründung: „Ohne eine Beitragsanpassung ist das Qualitätsniveau auf keinen Fall zu halten.“

= Wir brauchen mehr Verbote, Gesetze, Strafen und Vorschriften. Jetzt fordern die Grünen „Pflichtquoten für grünen Stahl“.

= Sex mit Abstand. Nach sechs Monaten Corona-Pause dürfen die Prostituierten in der Hamburger Herbertstraße wieder Kunden empfangen – allerdings nur unter strengen Auflagen.

= In Russland wurde ein 39.000 Jahre alter Kadaver eines Bären entdeckt.

= Der alte Kontinent Europa stellt China bei den aktuellen Verhandlungen zum gegenseitigen Binnenmarktzugang Bedingungen: Fairer Wettbewerb, Respekt des internationalen Rechts, Stopp der Technik-Spionage und der Desinformation. Hier sind die 27 Staaten Europas einig !

= Donald Trump hat festgestellt, dass Österreich seine Wälder nachhaltig bewirtschaftet; dafür sei Österreich „unter Experten weltberühmt.“ Alles unter dem Motto: „America First. Austria Förster.“

= Stalin am Bodensee: Johannes R. Becher, Kultusminister der DDR bis 1958, reimte 1953 zu Stalins Tod: „Dort wirst du, Stalin, steh`n in voller Blüte der Apfelbäume an dem Bodensee, und durch den Schwarzwald wandert seine Güte und winkt zu sich heran ein scheues Reh.“

= Alle Menschen, vor allem Schüler, sollten sich Wissen aneignen, bevor sie ihre Meinung kundtun.

= Die FDP sucht verzweifelt nach Möglichkeiten, sich zu profilieren. Jetzt hat sie einen Weg gefunden und plädiert dafür, dass künftig auch Manager von Aktiengesellschaften in die Babypause gehen können, ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen.

= Die Kandidatin für den Parteivorsitz der Linkspartei, Janine Wissler, hält das, was die einen soziale Marktwirtschaft und die anderen Kapitalismus nennen, für ein „unmenschliches, grausames System“ und sie plädiert dafür, dass die Parteiendemokratie überwunden werden müsse. Wissler: „Die klassenlose Gesellschaft lässt sich nicht einführen über Parlamente und Regierungen.“

= Wu Ken, der chinesische Botschafter in Deutschland: „Als kürzlich Demonstranten versucht haben, zum Reichstagsgebäude in Berlin vorzudringen, ist das bei allen politischen Parteien auf Kritik gestoßen. Aber als im vergangenen Jahr eine Gruppe in Hongkong das Regionalparlament stürmte, haben viele in Deutschland nur den Polizeieinsatz verurteilt. Das ist Doppelmoral pur.“

 

 

„Die Welle politischer Tumulte und Revolutionen, die Deutschland am Ende des ersten Weltkriegs überrollte, gehört zu den Schlüsselepisoden des 20. Jahrhunderts. Eine durch Krieg und Niederlage gezeichnete Gesellschaft wurde erneut in ihren Grundfesten erschüttert. Die Entstehung einer dem sowjetischen Vorbild verpflichteten kommunistischen Linken einerseits und schwerbewaffneter konterrevolutionärer und rechtsradikaler Verbände andererseits sorgte für eine drastische politische Polarisierung. Die rhetorische Eskalation ging bald in Gewalt über. Freikorpstruppen und Spartakisten lieferten sich erbitterte Gefechte.

Nirgendwo war die Erweiterung des herkömmlichen politischen Spektrums dramatischer spürbar als in München. Am 7. November 1918 wurde der bayerische König als erster deutscher Monarch gestürzt. Die Armee lief zu den Revolutionären über, der König floh ins Exil. Nach der Ermordung des Ministerpräsidenten Kurt Eisner (USPD) am 21. Februar 1919 spitzten sich die Machtkämpfe zwischen linken und gemäßigten Sozialisten zu. Die Regierung des neuen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann (SPD) wurde am 7. April gestürzt und durch eine zunächst von pazifistischen und anarchistischen Intellektuellen geprägte bayerische Räterepublik abgelöst. Nach kaum einer Woche ergriffen jedoch die Kommunisten unter Eugen Leviné die Macht. Das inzwischen ins Exil ausgewichene Kabinett Hoffmann bat die Berliner Regierung um Hilfe. Mitte April rückten Reichswehrtruppen und Freikorpseinheiten gegen die bayerischen Revolutionäre vor. Es folgte die brutale Niederschlagung der Räterepublik, bei der schätzungsweise 2000 – auch vermeintliche – Anhänger ermordet, standrechtlich erschossen oder zu Haftstrafen verurteilt wurden.

Victor Klemperer führt uns durch die Wirren dieser bewegten Münchner Tage mit Empathie, Feinsinn und scharfem Blick. Versammelt in diesem Band sind Zeitberichte für die „Leipziger Neuesten Nachrichten“, von denen nur ein Bruchteil damals veröffentlicht wurde, sowie einschlägige Passagen aus einem späteren Erinnerungswerk, das 1942 abgebrochen werden musste.

Dank seiner 1995 im Aufbau Verlag veröffentlichten Tagebuchaufzeichnungen aus der Zeit des Dritten Reichs gehört Klemperer zu den meistgelesenen Augenzeugen des 20. Jahrhunderts.

Hier beschreibt Klemperer das Einrücken der Truppen bei der Zerschlagung der Räterepublik in der bayerischen Hauptstadt Anfang Mai 1919:

„………..heute bis in den späten Nachmittag hinein, wo ich diese Zeilen schreibe, tobt buchtäblich eine donnernde Schlacht. Ein ganzes Fliegergeschwader kreuzt über München, das Feuer lenkend, selber beschossen, Leuchtkugeln abwerfend; bald ferner, bald näher, aber immerfort krachen Minen und Granaten, daß die Häuser beben, ein Sturzregen aus Maschinengewehren folgt den Einschlägen, Infanteriefeuer knattert dazwischen. Und dabei marschieren, fahren, reiten immer neue Truppen mit Minenwerfern, Geschützen, Fouragewagen, Feldküchen durch die Ludwigstarße, bisweilen mit Musik, und am Siegestor hält eine Sanitätskolonne, und in allen Straßen verteilen sich starke Patrouillen und Abteilungen verschiedener Waffen, und an allen Ecken, wo man gedeckt ist und doch Ausblick hat, drängt sich das Publikum, häufig das Opernglas in der Hand.“

Klemperer versteht es, die Theatralik der politischen Ereignisse, das Element der Inszenierung einprägsam zu vermitteln. Ja, er sieht sogar ein Wesensmerkmal der Münchner Revolution. „In anderen Revolutionen, in anderen Zeiten, an anderen Orten“, schreibt er Anfang Februar 1919, „tauchen die Führer von der Straße, aus Fabriken, aus Redaktions- und Rechtsanwaltstuben auf. In München sind sie vielfach aus der Bohéme gekommen.“ Unter solchen Umständen erscheint die Politik nicht als Beruf, sondern als Bühne, auf der Träume (und Alpträume) ausgespielt werden.

„Ich bin ein Phantast, ein Schwärmer, ein Dichter!“, ruft der Ministerpräsident Kurt Eisner einer großen Versammlung im Hotel Trefler zu. Klemperer stellt zu seinem Erstaunen fest, dass Eisner, den er als „zartes, winziges, gebrechliches, gebeugtes Männchen“ wahrnimmt, mit diesen Worten beim Münchner Publikum tobenden Beifall erntet, und schließt daraus, den Münchnern gehe es primär nicht um Politik, sondern um Unterhaltung.

Was dem jungen Zeitgenossen im Frühjahr 1919 bisweilen lächerlich an der Münchner Revolution vorkommt, erscheint später dem verfolgten Juden im nationalsozialistischen Dresden in einem eher tragischen Licht. In der Rückschau erkennt Klemperer die wachsende Virulenz des im Nachkriegsdeutschland aufkeimenden Antisemitismus. „Ich will nicht übertreiben: Es gab in München damals eine ganze Reihe von Dozenten und Studenten, die diese aufflammende Judenfeindschaft durchaus verwarfen, und persönlich habe ich die ganze Münchner Zeit über niemals unter Antsemitismus zu leiden gehabt, aber bedrückt und isoliert fühlte ich mich doch durch ihn.“

 

G e d i c h t e

Heinrich Heine:

Das Glück ist eine leichte Dirne, und weilt nicht gern am selben Ort; sie streicht das Haar dir von der Stirne und küßt dich rasch und flattert fort.

Frau Unglück hat im Gegenteile dich liebesfest ans Herz gedrückt; sie sagt, sie habe keine Eile, setzt sich zu dir ans Bett und strickt.

Theodor Fontane: Alles still !

Alles still! Es tanzt den Reigen Mondenstrahl in Wald und Flur, und darüber thront das Schweigen und der Winterhimmel nur.

Alles still! Vergeblich lauschet man der Krähe heisrem Schrei. Keiner Fichte Wipfel rauschet, und kein Bächlein summt vorbei.

Alles still! Die Dorfeshütten sind wie Gräber anzusehn, die, von Schnee bedeckt, inmitten eines weiten Friedhofs stehn.

Alles still! Nichts hör ich klopfen als mein Herz durch die Nacht – heiße Tränen niedertropfen auf die kalte Winterpracht.

Nelly Sachs:

Völker der Erde, zerstöret nicht das Weltall der Worte, zerschneidet nicht mit den Messern des Hasses den Laut, der mit dem Atem zugleich geboren wurde.

Völker der Erde, O daß nicht Einer Tod meine, wenn er Leben sagt – und nicht Einer Blut, wenn er Wiege spricht –

Völker der Erde, lasset die Worte an ihrer Quelle, denn sie sind es, die die Horizonte in den wahren Himmel rücken können.

Heinrich Heine: Buch der Lieder – Lyrisches Intermezzo

Sie saßen und tranken am Teetisch, und sprachen von Liebe viel. Die Herren waren ästhetisch, die Damen von zartem Gefühl.

Die Liebe muß sein platonisch, der dürre Hofrat sprach. Die Hofrätin lächelt ironisch, und dennoch seufzet sie: Ach!

Der Domherr öffnet den Mund weit: Die Liebe sei nicht zu roh, sie schadet sonst der Gesundheit. Das Fräulein lispelt: Wie so?

Die Gräfin spricht wehmütig: Die Liebe ist eine Passion! Und präsentierte gütig die Tasse dem Herrn Baron.

Am Tische war noch ein Plätzchen; mein Liebchen, da hast du gefehlt. Du hättest so hübsch, mein Schätzchen, von deiner Liebe erzählt.

 
 

La dolce Vita in Germania

Der italienische Philosoph Angelo Bolaffi: „Das Leben in Deutschland ist viel leichter. Die Leute sind entspannter, der Staat funktioniert, man muss sich um Alltagsdinge keine großen Gedanken machen. Lebensqualität, das bedeutet auch Rechtssicherheit, eine effiziente Verwaltung, die Abwesenheit von Korruption, Soziale Marktwirtschaft, Sozialpartnerschaft, Mitbestimmung, eine starke Währung, eine stabile politische Klasse. Und Berlin ist mit der Kunst und dem Geist der Freiheit das i-Tüpfelchen obendrauf – die coolste Stadt des Planeten.“

= „Was Deutschland ausmacht: Warum steht dieses Land, das vor 75 Jahren am Boden und in der Seele zerstört war, heute so gut da? Der föderale und demokratische Rechtsstaat ruht auf Fundamenten, auf denen er sich immer wieder neu erfinden kan.“ (Reinhard Müller FAZ)

= Kathrin Montero Gonzales: „Ich bin froh, dass ich in Deutschland lebe, denn so hat mein Kind die Möglichkeit, mit 740 Gramm auf die Welt zu kommen und zu leben.“

= Deutschland unterstützte innerhalb von vier Jahren humanitäre Organisationen der UNO, die Rotkreuz-Bewegung oder zivilgesellschaftliche Organisationen mit über vier Milliarden Euro.

= Deutschland ist ein Stabilitätsanker für sich selbst, für Europa und weit darüber hinaus. Die New York Times schreibt dazu: „The liberal West´s last defender.“

= „In Lanzhou, einer Millionen-Metropole im Westen Chinas, ist die deutsche Sprache sehr beliebt, doch es fehlen Lehrkräfte für einen Masterstudiengang. Professor Susanne Günther aus Münster will das ändern und macht sich für einen Austausch von Studenten und Dozenten stark.“ (Westfälische Nachrichten)

= „Judith N. Levi, als Tochter deutscher Juden in Amerika geboren, glaubte jahrelang, das Deutschland der Gegenwart sei durch die Nazivergangenheit unausweichlich vergiftet. Doch eine Reihe von Besuchen in Deutschland öffneten ihr die Augen. Sie baute sich einen großen deutschen Freundeskreis auf und lernte, den Menschen, die sie verachtet hatte, mit Anteilnahme und Verständnis zu begegnen. Sie entdeckte das fehlende deutsche Puzzleteil ihrer Identität und begann, die postiven Auswirkungen deutsch-jüdischer Versöhnung zu schätzen. Heute hält sie vor amerikanischem und deutschem Publikum Vorträge über ihre Erfahrungen in Deutschland und ihre Einsichten zum Thema Versöhnung. Ihre einzigartige und mitreißende Geschichte inspiriert nicht nur Deutsche und Juden, sondern alle Menschen.“ (Fundstück)

= „Vom Flüchtling zum Manager: Mit 14 musste er aus Kabul fliehen, heute ist Cawa Younosi Personalchef von SAP Deutschland. Deutsch lernen und offen sein für alles, rät er den Flüchtlingen von heute.“ (FAZ)

= Der niederländische König: „Europa und die Welt können sich glücklich schätzen, das ein großes Land wie Deutschland so viel Mitverantwortung für das Wohl der Weltgemeinschaft verspürt.“

= Der soeben verabschiedete Bundeshaushalt für 2021 beträgt 413 Milliarden Euro. Davon werden für Arbeit und Soziales 164 Milliarden, für Gesundheit 24 Milliarden und für Bildung und Forschung 20 Milliarden Euro aufgewendet.

= Das kürzlich beschlossene Baukindergeld kommt gut an: 70.000 Familien erhalten schon den Zuschuss.

= Immer mehr Spitzenforscher aus aller Welt drängt es nach Deutschland.

= „Die Deutschen haben mehr als 70 Jahre nach dem Holocaust ein Land geschaffen, dass stolz und selbstbewusst auf seine eigene Fahne schauen darf. Ein Deutschland, für das jeder nüchterne Beobachter nur Bewunderung haben kann.“ (Leon de Winter, Niederlande)

= „Auch wenn sich die Deutschen politisch streiten sollten sie wissen: Als freie Gesellschaft ist Deutschland ein M u s t e r l ä n d l e !!“ (Robert B. Goldmann aus New York)

 
 
 
 

Frauenquote

= FAZ-Schlagzeile: „So haben wir das nicht gewollt. Sie putzt, kauft ein und organisiert. Er macht nichts. So sieht der Alltag vieler Paare heute noch aus, obwohl die fünfziger Jahre lang vorbei sind. Warum nehmen Frauen diese Ungerechtigkeit bloß oft so hin?“

= Süddeutsche Zeitung: „Weibliche Gewinnzonen. Je mehr Frauen Leitungspositionen haben, desto höher ist der Profit. Die Faustformel lautet: Steigt der Anteil weiblicher Führungskräfte von null auf 30 Prozent, wächst die Profitabilität um 15 Prozent. Wenn Männer allzu lange unter sich sind, das zeigt ein Blick in die Geschichte, kommt meist nichts Gutes dabei heraus. Ganz gleich, ob Kriege angezettelt, Diktaturen errichtet oder Kulturen zerstört wurden – meistens steckt eine Schar blasierter Herren dahinter.“

= Süddeutsche Zeitung: „Geht es um Führungspositionen, wird oft mit zweierlei Maß gemessen: Frauen müssen höheren Ansprüchen genügen als Männer. Die Lösung: Frauenquoten, um den Kulturwandel zu forcieren.“

= Süddeutsche Zeitung: „Vielleicht ist es an der Zeit, so richtig die Geduld zu verlieren. Vielleicht sollten wir bei Unternehmen wie Fielmann, Freenet oder Zalando nicht mehr einkaufen, die nicht nur keine Chefinnen haben, sondern sich selbst für die Zahl der Frauen im Vorstand die Zielgröße Null vorgenommen haben. 2016 stellte die Bank Credit Suisse in einer Studie fest, dass Unternehmen, in denen Frauen ein Viertel der Entscheidungspositionen besetzen, vier Prozent höhere Cash-Flow-Renditen erzielen.“

= Fundstück: „Wie tief wir in der gegenseitigen Verachtung bereits gefallen sind, wurde offenbar, als Malerstar Daniel Richter kürzlich bei einer Leseveranstaltung das Manifest zur Vernichtung der Männer vorlas, das oberdumme, verhetzende Pamphlet, mit dem Valery Solanas ihren Mordversuch an Andy Warhol begründete.“

= Süddeutsche Zeitung: „Dreifach benachteiligt. Frauen arbeiten mehr als Männer, verdienen weniger und zahlen mehr. Opfer einer seit Bismarck kaum veränderten Familienpolitik.“

= „Männer verbringen heute mehr Zeit mit ihren Kindern als 2001 – zehn Minuten.“ (Studie)

= Heiko Maas: „Frauen sind ein Gewinn für die Wirtschaft. Mit der Quote geben wir den Anstoß zu einem notwendigen Kulturwandel in Deutschlands Unternehmen.“ (Kommentar: Der Herr Minister hat noch nie eine Firma von innen gesehen)

= Süddeutsche Zeitung: „Immer mehr Burn-Out bei Müttern Die Zahl der Mütter mit Erschöpfungssyndrom bis hin zu Burn-Out mit Schlafstörungen, Angstzuständen, Kopfschmerzen o.ä. ist erheblich gestiegen. Der Anteil der Mütter, die wegen psychischer Störungen eine Kur machen, ist von 49 Prozent auf 86 Prozent gestiegen.“

= Alice Schwarzer: „Die Parallelität zwischen der Judenfrage und der Frauenfrage ist evident.“

= Süddeutsche Zeitung: „Katarina Barley war gern SPD-Generalsekretärin. Dann wurde sie Familienministerin. Nun muss sie schönreden, was sie bekämpfen will: dass Frauen abserviert werden.“