G e d i c h t e

Heinrich Heine:

Das Glück ist eine leichte Dirne, und weilt nicht gern am selben Ort; sie streicht das Haar dir von der Stirne und küßt dich rasch und flattert fort.

Frau Unglück hat im Gegenteile dich liebesfest ans Herz gedrückt; sie sagt, sie habe keine Eile, setzt sich zu dir ans Bett und strickt.

Theodor Fontane: Alles still !

Alles still! Es tanzt den Reigen Mondenstrahl in Wald und Flur, und darüber thront das Schweigen und der Winterhimmel nur.

Alles still! Vergeblich lauschet man der Krähe heisrem Schrei. Keiner Fichte Wipfel rauschet, und kein Bächlein summt vorbei.

Alles still! Die Dorfeshütten sind wie Gräber anzusehn, die, von Schnee bedeckt, inmitten eines weiten Friedhofs stehn.

Alles still! Nichts hör ich klopfen als mein Herz durch die Nacht – heiße Tränen niedertropfen auf die kalte Winterpracht.

Nelly Sachs:

Völker der Erde, zerstöret nicht das Weltall der Worte, zerschneidet nicht mit den Messern des Hasses den Laut, der mit dem Atem zugleich geboren wurde.

Völker der Erde, O daß nicht Einer Tod meine, wenn er Leben sagt – und nicht Einer Blut, wenn er Wiege spricht –

Völker der Erde, lasset die Worte an ihrer Quelle, denn sie sind es, die die Horizonte in den wahren Himmel rücken können.

Heinrich Heine: Buch der Lieder – Lyrisches Intermezzo

Sie saßen und tranken am Teetisch, und sprachen von Liebe viel. Die Herren waren ästhetisch, die Damen von zartem Gefühl.

Die Liebe muß sein platonisch, der dürre Hofrat sprach. Die Hofrätin lächelt ironisch, und dennoch seufzet sie: Ach!

Der Domherr öffnet den Mund weit: Die Liebe sei nicht zu roh, sie schadet sonst der Gesundheit. Das Fräulein lispelt: Wie so?

Die Gräfin spricht wehmütig: Die Liebe ist eine Passion! Und präsentierte gütig die Tasse dem Herrn Baron.

Am Tische war noch ein Plätzchen; mein Liebchen, da hast du gefehlt. Du hättest so hübsch, mein Schätzchen, von deiner Liebe erzählt.