Der verlängerte Arm des Iran

Ohne Hassan Nasrallah läuft im Libanon nichts. Der Chef der „Partei Gottes“ (Hisbollah) bekleidet zwar keine politischen Ämter in der Hauptstadt Beirut. Aber in den wichtigsten Ministerien führen Nasrallahs Anhänger seine Befehle aus. Zudem hat der 59-Jährige mit dem Präsidenten des Landes, Michel Aoun, seit Jahren einen nützlichen Verbündeten, der Nasrallahs Einfluss im Libanon festigt.

Auch der vor ein paar Tagen zurückgetretene Premier, Hassan Diab, ist einer von Nasrallahs Erfüllungsgehilfen. Nach der Explosion im Hafen von Beirut wird Nasrallah natürlich jede Verantwortung von sich weisen. Der Libanese hat aus der Hisbollah, die einst eine islamische Mini-Miliz war, die stärkste nichtstaatliche militärische Organisation im Nahen Osten gemacht. Die Hisbollah ist ein Staat im Staat und hat militärische und politische Macht. Die Grundlage dafür legte Nasrallah mit dem Aufbau eines dichten, landesweiten Netzwerks von sozialen und medizinischen Einrichtungen sowie von Schulen, in denen die Reine Lehre vermittelt wird und in denen den Anhängern der Hisbollah aber auch den Armen geholfen wird.

Der tiefgläubige Schiit Nasrallah ist überzeugt, dass der schiitische Islam die Probleme jeder Gesellschaft lösen kann. Aber Nasrallah hat sich der Dominanz Teherans unterworfen und unterstützt die militärischen Aktivitäten des Iran im Nahen Osten.

Die Religionsstudien, die Nasrallah einst im Iran begonnen hatte, schloss er in der schiitischen Pilgerstadt Qom im Iran ab. Danach kehrte er in seine Heimat zurück, um im libanesischen Bürgerkrieg aufseiten der schiitischen Milizen vor allem gegen die Christen zu kämpfen; dabei war er so erfolgreich, dass er bereits im Jahr 1992 (mit massiver Unterstützung von Irans oberstem Führer Ajatollah Khamenei) an die Spitze der Hisbollah aufstieg, nachdem sein Vorgänger von Israel getötet worden war.

Die Verbrüderung mit dem Iran führte dazu, dass der Geldstrom aus den mit dem Iran verfeindeten Golfländern versiegte; damit verschärften sich die sozialen Probleme.

Als Stellvertreter des Irans hat der Hisbollah-Chef den Libanon in den vergangenen Jahren wiederholt in Kriege mit Israel verwickelt. Im syrischen Bürgerkrieg lässt er seine Milizen ebenfalls für iranische Interessen kämpfen; Nasrallah unterstützt den syrischen Präsidenten, weil die Rebellen, die Assad entmachten wollen, eine existenzielle Gefahr für die Schiiten im Nahen Osten und damit den Iran sind.

Die EU und vor allem Frankreich werden alles in ihrer Macht stehende tun und den Libanon zu drastischen politischen Reformen zwingen. Dazu gehört auch die Schaffung einer zeitgemäßen Verfassung einschließlich der Trennung von Kirche und Staat. Wenn ein Friedensvertrag mit Syrien und Israel und der Türkei und schließlich mit der EU folgt und wenn gleichzeitig der Iran militärisch neutralisiert wird – dann können (oder müssen) sich einerseits die Amerikaner aus dem Nahen Osten völlig zurückziehen und andererseits können die Länder des Nahen Ostens ihre bisher ungenutzten wirtschaftlichen Möglichkeiten endlich ausschöpfen und ihren Handel mit der EU vervielfältigen. Davon würde auch die EU stark profitieren.

Auch die Flüchtlingsströme aus dem Nahen Osten (und aus Afrika über den Nahen Osten) würden versiegen.