Die Geschichte der Zigeuner (eine Zeittafel)

  • 1407: Es erfolgt eine der ersten Erwähnungen der Zigeuner als „Tateren“ in einer Urkunde der Stadt Hildesheim. Eine Augsburger Chronik erwähnt im Jahr 1427 „Zigeiner“.
  • 1443: Der römisch-deutsche König Friedrich III. stellt den Zigeunern einen Schutzbrief aus.
  • 1504: Die Zigeuner werden aus vielen Städten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ausgewiesen.
  • 1551: Der Reichstag zu Augsburg verbietet, Zigeunern Duldungspapiere auszustellen.
  • 1652: Der sächsische Kurfürst Johann Georg I. erklärt die Zigeuner für „Vogelfrei“.
  • 1700: Anfang des 18. Jahrhunderts werden vielerorts Zigeuner-Warntafeln angebracht, auch in Harburg.
  • 1725: Kaiser Kartl VI. ordnet an, alle männlichen Zigeuner hinzurichten und Frauen und Kindern ein Ohr abzuscheinden.
  • 1782: Der Sprachforscher Johann Rüdiger veröffentlicht eine Abhandlung über die „Zigeunersprache“ Romanes. Aus der dem Sanskrit verwandten Sprache wird auf die Herkunft der Volksgruppe aus Indien geschlossen.
  • 1899: Die Königlich Bayerische Polizeidirektion in München richtet einen Nachrichtendienst in Bezug auf die Zigeuner ein, die bayerische Zigeunerzentrale.
  • 1905: Der Leiter der Zigeunerzentrale, Alfred Dillmann, gibt ein „Zigeunerbuch“ mit 3.350 Namen heraus, das die Fahndung nach Zigeunern erleichtern soll.
  • 1926: Der Bayerische Landtag verabschiedet das Gesetz zur „Bekämpfung von Zigeunern, Landfahrern und Arbeitsscheuen“.
  • 1933: Machtübertragung an die Nationalsozialisten.
  • 1934: Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“, das Zwangssterilisationen ermöglicht, tritt in Kraft.
  • 1935: Die Nürnberger Rassengesetze verbieten Juden und auch Sinti und Roma die Eheschließung mit sogenannten Ariern. Die deutsche Staatsbürgerschaft und das Wahlrecht werden ihnen entzogen.
  • 1936: Beim Reichsgesundheitsamt in Berlin wird die „Rassenhygienische und Bevölkerungsbiologische Forschungsstelle“ zur Untersuchung von Sinti und Roma eingerichtet. Angeblich „Asoziale“ werden in Vorbeugungshaft genommen. Die ersten Sinti und Roma kommen ins KZ Dachau.
  • 1938: Die Münchner Zigeunerzentrale wird nach Berlin verlegt und heißt jetzt „Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“. Nach der „Aktion Arbeitsscheu“ werden erneut Hunderte Sinti und Roma in Konzentrationslagern inhaftiert.
  • 1939: Der Zweite Weltkrieg beginnt. Heinrich Himmler ordnet die „Festsetzung“ der Zigeuner an.
  • 1940: Im Mai werden etwa 2.500 deutsche Sinti und Roma ins besetzte Polen deportiert.
  • 1943: Himmler lässt fast 13.000 Sinti und Roma aus Deutschland ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportieren; aus anderen Ländern kommen fast 10.000 weitere Sinti und Roma dazu.
  • 1944: Die SS löst das „Zigeuner-Familienlager“ in Auschwitz-Birkenau“ auf. Nur wenige Häftlinge überleben. Die Rote Armee besetzt Polen.
  • 1945: Ende des Zweiten Weltkriegs. Die überlebenden Sinti und Roma kehren in die Orte zurück, in denen sie vor ihrer Deportation lebten und wo sie hoffen, Verwandte zu finden.
  • 1946: In Bayern wird die „Landfahrerzentrale“ eingerichtet, die mit Personal und Akten aus der NS-Zeit als Abteilung des Bayerischen Landeskriminalamts weiterhin die Sinti und Roma überwacht.
  • 1953: Der bayerische Landtag verabschiedet eine „Landfahrerordnung“, die mit ihren Meldepflichten und Verboten dem 1926 verabschiedeten „Gesetz zur Bekämpfung von Zigeunern, Landfahrern und Arbeitsscheuen“ sehr ähnlich ist.
  • 1956: Der Bundesgerichtshof entscheidet, dass für die Verfolgung der Zigeuner bis 1943 nicht rassenideologische Gesichtspunkte, sondern die „asozialen Eigenschaften der Zigeuner“ maßgeblich gewesen seien. In den folgenden Jahrzehnten versuchen die überlebenden Sinti und Roma meist vergeblich, als Opfer der NS-Verfolgung anerkannt zu werden und die Wiedergutmachung für die erlittenen Schäden zu erhalten.
  • 1980: Sinti und Roma treten vor der KZ-Gedenkstätte Dachau in den Hungerstreik, um auf den verleugneten Völkermord an ihrer Minderheit aufmerksam zu machen.
  • 1982: Der Zentralrat der Sinti und Roma gründet sich. Bundeskanzler Helmut Schmidt erkennt öffentlich an, dass an den Sinti und Roma ein Völkermord verübt wurde.
  • 1991: Zum ersten und bislang einzigen Mal wird ein für die Ermordung von Sinti und Roma Verantwortlicher verurteilt. Der SS-Mann Ernst-August König, Blockführer im „Zigeuner-Familienlager“ von Auschwitz-Birkenau, erhält eine lebenslange Haftstrafe.
  • 1998: Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma legt Verfassungsbeschwerde gegen die fortdauernde Sondererfassung von Sinti und Roma ein.
  • 2001: Das bayerische Innenministerium lässt „Sonderdateien“ sperren, die Namen und Autokennzeichen von Sinti und Roma enthalten.
  • 2012: In Berlin wird das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermodeten Sinti und Roma eingeweiht. Über 20 Jahre hatte die Planung gedauert.
  • 2014: Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien erhalten unbeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. In Deutschland findet eine erregte Debatte über Roma als „Armutsmigranten“ statt.

Aus Angela Bachmairs Buch „Wir sind stolz, Zigeuner zu sein“. (Wißner-Verlag)