Die Kohle geht, ein Skigebiet kommt

Elf Jahre nach dem Beitritt zur Europäischen Union heißt Ru-mäniens größte Herausforderung Arbeitsmigration. Ein neuer Film macht diese zum Thema.

Eine Schafherde grast auf einer Wiese. Der Hirte liegt daneben und schläft. Traditionelle rumänische Musik untermalt die Szene. Was zunächst wie die perfekte Idylle aussieht, findet ein überraschendes Ende – als der Zuschauer merkt, dass die Musik nur aus dem Handy des Hirten kommt und ihn aus seinem Schlummer reißt.

Auch in Transsilvanien ist die Globalisierung angekommen. Für die traditionelle Lebensweise der Hirten hat das Folgen. Positive wie negative. Das Ehepaar Aurica weiß, dass seine Kinder nicht mehr so leben wollen wie Vater und Mutter. „Nachts stecken sie ihren Kopf in den Laptop. Wie sollen sie da tagsüber noch arbeiten?“

Können sich die Traditionen in einer zunehmend globalisierten Wirtschaft halten? Das hat sich der Hamburger Autor und Regisseur Fabian Daub gefragt. In seinem Dokumentarfilm „Transilvania mea – von Gewinnern und Verlierern“ porträtiert er Menschen in Rumänien, begleitet sie in ihrem Alltag, schildert ihre Sorgen und Wünsche. Unterstützt wurde das Filmprojekt von dem kirchlichen Osteuropa-Hilfswerk „Renovabis“ und lokalen Partnern. Der Film ist in ausgewählten Kinos zu sehen und auf DVD erhältlich.

Der Film nimmt den Zuschauer unter anderem mit ins Schiltal, eines der größten Abbaugebiete für Kohle in Europa. Dort trifft Daub den Minenmeister Marius Vreme, der mit seinen Männern Sieben-Stunden-Schichten unter der Erde arbeitet. „Wir kennen uns alle untereinander, wir sind Brüder“, erklärt er. Doch wo früher mehr als 50 000 Menschen gearbeitet haben, sind es heute nur noch 459. Bald soll auch Vremes Mine geschlossen werden, da sich die Kohleforderung nicht mehr rechnet. Viele Arbeiter wissen nicht, wie es danach für sie und ihre Familien weitergehen soll.

Gerade die jungen Rumänen sehen für sich keine Zukunft mehr in ihrer Heimat. Häufig besteht der einzige Ausweg darin, Arbeit im Ausland zu suchen. Ein Phänomen, das durch den EU-Beitritt Rumäniens und die damit gegebene Personenfreizügigkeit begünstigt wurde. Bau, Landwirtschaft und Pflege sind die Bereiche, in denen die Abgewanderten vor allem in Deutschland, Italien und Spanien Arbeit finden. Die Folge: Ganze Generationen rumänischer Kinder wachsen ohne ihre Eltern auf und tragen lebenslängliche Traumata davon. Man nennt sie auch „Euro-Waisen“.

Doch es gibt auch positive Entwicklungen im „Land jenseits der Wälder“: Angesichts der steigenden Entlassungen im Bergbau beschloss der Investor Emil Ilie Päräu vor einigen Jahren, ein Skigebiet in der Nähe der Stadt Straja aufzubauen. Damit ist ihm gelungen, die Zahl der Touristen von hundert im Jahr auf bis zu 3000 an einem Wochenende zu steigern. „Das beweist, dass es auch bei uns funktioniert“, bekräftigt er voller Optimismus.

Der Autor beobachtet und lässt in seinem Film die Bilder wirken. Auf die Frage, wer die Gewinner und die Verlierer sind, liefert die Dokumentation keine endgültige Antwort: Die letzte Station ist eine Müllhalde, auf der Menschen ihren Lebensunterhalt mit dem Sammeln von Plastikflaschen bestreiten. Eine Modernisierung der Müllentsorgung wäre sicher wünschenswert. Oder vielleicht gerade nicht, weil die Müllsammler dann gar keine Arbeit mehr hätten? Auch der Geschäftsführer der Müllhalde, Vasile Fratean, ist nicht sicher, was er von der Entwicklung des Landes halten soll: „Diese neue Ordnung ist aber doch ein Gewinn für uns.“ Er zögert. „Für einen Teil von uns.“