Ein Zitat aus dem Buch „Das wunderbare Überleben“ von W. Szpilman (Verlag Econ)

„Eines Tages, um den 5. August (im Warschauer Getto), ich hatte mich kurz von der Arbeit losgerissen und ging die Gesia entlang, wurde ich zufällig Zeuge des Abmarsches von Janusz Korczak und seinen Waisen aus dem Getto.

Für jenen Morgen war die Evakuierung des jüdischen Waisenhauses, dessen Leiter Janusz Korczak war, befohlen worden. Die Kinder sollten allein abtransportiert werden; er selbst hatte die Möglichkeit, sich zu retten und nur mit Mühe brachte er die Deutschen dazu, daß sie ihm erlaubten, die Kinder zu begleiten.

Lange Jahre hatte er mit Kindern verbracht, und auch jetzt, auf dem letzten Weg, wollte er sie nicht allein lassen. Er wollte es ihnen leichter machen. Sie würden aufs Land fahren, ein Grund zur Freude, erklärte er den Waisenkindern. Endlich könnten sie die abscheulichen stickigen Mauern gegen Wiesen eintauschen, auf denen Blumen wüchsen, gegen Bäche, in denen man würde baden können, gegen Wälder, wo es viele Beeren und Pilze gäbe.

Er ordnete an, sich festlich zu kleiden, und so, hübsch herausgeputzt, in fröhlicher Stimmung, traten sie paarweise auf dem Hof an. Die kleine Kolonne führte ein SS-Mann an, der als Deutscher Kinder liebte, selbst solche, die er in Kürze ins Jenseits befördern würde. Besonders gefiel ihm ein zwölfjähriger Junge, ein Geiger, der sein Instrument unter dem Arm trug. Er befahl ihm, an die Spitze des Kinderzuges vorzutreten und zu spielen – und so setzten sie sich in Bewegung.

Als ich ihnen in der Gesia-Straße begegnete, sangen die Kinder, strahlend, im Chor, der kleine Musikant spielte ihnen auf, und Korczak trug zwei der Kleinsten, die ebenfalls lächelten, auf dem Arm und erzählte etwas Lustiges.

Bestimmt hat der alte Doktor noch in der Gaskammer, als das Zyklon schon die kindlichen Kehlen würgte und in den Herzen der Kinder Angst an die Stelle von Freude und Hoffnung trat, mit letzter Anstrengung geflüstert:

„Nichts, da ist nichts, Kinder……….“, um wenigstens seinen kleinen Zöglingen den Schrecken des Übergangs vom Leben in den Tod zu ersparen.“