Eine Buchempfehlung: „Die ersten Deutchen“ von S.Fischer-Fabian

Einleitung: „Auf dem Gymnasium hatten wir einen Geschichtslehrer, der gerade – man schrieb das Jahr 1934 – auf einem Schulungskurs mit neuester Geschichtserkenntnis versehen worden war und nun mit Feuereifer daranging, sie uns zu vermitteln. Es ware eine einfache Erkenntnis, und manch einer von uns fand sie allein deshalb befriedigend, weil sie leicht zu lernen war. Sie bestand aus der Formel „Hochkultur, gleich A u f nordung – Verfall gleich E n t nordung“. Womit gemeint war, dass Staaten und Kulturen immer dann morsch wurden und zum Untergang reif, wenn nordisches Erbgut sich durch Vermischung verflüchtigt hatte.

Die Träger dieses „Blutes und Gutes“, die Germanen, waren blond und blauäugig, hehr und hochgemut und ständig bemüht, ihrer heldischen Gesinnung eisenklirrend zu entsprechen. In dieser Form bekamen wir unser Germanenbild geliefert.

Das Germanenbild unserer Väter und Großväter war anders, aber nicht viel besser. Germanen, das waren für sie Leute mit Rauschebart, zwei Hörnern auf dem Kopf und wild wallendem Haar, die den größten Teil des Tages damit verbrachten, am Ufer des Rheins zu liegen und immer noch einen zu trinken.

Nordische Übermenschen oder biertrinkende Bärenhäuter, so war das Bild der Deutschen von ihren Vorfahren, und es nimmt beinahe nicht wunder, wenn sich bis heute darn nichts geändert hat. In den Jahren nach 1945 schien das Thema verständlicherweise suspekt, wissenschaftliche Begriffe wie „Rasse + Vererbung + nordisch“ waren auf das böseste korrumpiert; ideale wie „Vaterland“ und „Volk“ missbraucht.

Das prekäre Verhältnis des Deutschen zu seiner eigenen Geschichte, das von jeher nur die Extreme von übersteigertem Nationalismus oder arger Selbstbeschimpfung kannte, war noch prekärer geworden. Die Folge war die Flucht in die Vergangenheit anderer Völker: Über die „alten“ Ägypter, die „alten“ Römer, die „alten“ Griechen, über Azteken, Phönizier, Etrusker, über prä- und nachkolumbianische Indianer war alles zu erfahren, über die eigenen Vorfahren aber kaum etwas. Wir sprechen jetzt nicht von der Fachliteratur; von den Büchern der Vor- und Frühgeschichtler, der Altphilologen, der Germanisten, der Linguisten, der Archäologen. Auf diesen Gebieten sind, gerade in den letzten Jahrzehnten, hervorragende Forschungsergebnisse erzielt worden. Dem großen Publikum aber müssen solche Veröffentlichungen Bücher mit sieben Siegeln bleiben. Weil die Wissenschaft nun mal ihre eigene Sprache spricht.

Der Verfasser hofft, dass es ihm gelungen ist, an seine Leser weiterzugeben, was die Griechen „das große Staunen“ nannten, das Staunen als Voraussetzung aller Erkenntnis. Und staunenswert genug ist die Geschichte der ersten Deutschen, voller Spannung, strotzend von Szenen, wie sie kein Dramatiker wirksamer entwerfen könnte, beherrscht von Menschen, die ihr Schicksal tapfer bezwangen oder ihm auf tragische Weise erlagen.