„Einen Bruch mit China wird es unter Scholz nicht geben“

Unter dieser Schlagzeile veröffentlicht das Handelsblatt ein aufschlussreiches Interview mit dem langjährigen und kompetenten Chef der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger, der u.a. folgendes äußert:

  • Der russische Präsident sieht sich in der Defensive. Er wird seit Langem von der Furcht getrieben, Amerika wolle die Ukraine und Georgien doch noch in die Nato holen. Das ist für Russland die rote Linie. Wir können zwar nicht sagen, die Ukraine und Georgien können niemals Mitglied der Nato werden. Aber wir können der Ukraine nahelegen: Orientiert euch doch längerfristig mal ein bisschen an den Finnen. Finnland ist Mitglied der EU, aber nicht der Nato.
  • Russland verfolgt weniger eine strategische als vielmehr eine opportunistische Politik. Deshalb ist es so wichtig, mit Russland aus einer Position westlicher Stärke zu verhandeln.
  • Die neue Bundesregierung sollte an dem Ziel eines Dialogs mit Putin unbedingt festhalten und für bilaterale Zusammenarbeit und einen Dialog zwischen EU und Nato auf der einen und und Moskau auf der anderen Seite werben. Es ist doch grotesk, dass zwar die USA mit Russland intensiv über Abrüstung und strategische Stabilität sprechen, aber zwischen der EU und Russland völlige Funkstille herrscht. Wir lassen uns hier von unseren eigenen Partnern in der EU zu starke Fesseln anlegen. Ein Dialog mit Russland könnte nur dann falsch sein, wenn er als Zeichen der Schwäche interpretiert werden könnte.
  • Unser Verhältnis zu China muss eingebettet werden in eine europäische Strategie für den wichtigen indopazifischen Raum wo wir Europäer bislang kaum auf dem geopolitischen Radarschirm sind. Außerdem müssen wir das ausgehandelte Investitionsabkommen zwischen der EU und China vom Eis bekommen.
  • Eine enge transatlantische Abstimmung zum Thema China ist schwierig aber wichtig. Sie setzt aber voraus, dass Washington nicht mit 27 Staaten verhandeln muss, sondern dass die EU mit einer Stimme spricht. Sonst nehmen die USA uns nicht ernst. Außerdem könnte Peking dann nicht mehr die EU-Staaten gegeneinander ausspielen.
  • Die Ampelkoalition hat einige sicherheitspolitische Streitthemen, wie etwa die Beschaffung von Kampfdrohnen oder die nukleare Teilhabe, aus dem Weg geräumt. Der Koalitionsvertrag schafft außenpolitisch kein neues Misstrauen, gerade bei unseren östlichen Partnern. Das ist sehr wichtig.
  • Es ist ein sehr wichtiger Schritt, dass die Ampelkoalition sich zum Ziel von Mehrheitsentscheidungen in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU bekannt hat. Angela Merkel und zahlreiche andere Politiker reden seit Jahren davon, haben bisher aber keinen konkreten Vorschlag in Brüssel auf den Tisch zu legen gewagt.