Europa ist unsere Zukunft

„Wir müssen selbst über unsere Zukunft entscheiden und brauchen als Europäer mehr Souveränität. Dafür müssen wir kämpfen und jede Generation muss sich auf ihre eigene Art und Weise einbringen. Zwischen unseren Völkern müssen alle Generationen einander immer wieder aufs Neue die Hand reichen und ihre Zurückhaltungen und Hemmnisse überwinden.

Am 5. September 1914 starb der französische Philosoph und Dichter Charles Péguy durch einen Kopfschuss auf dem Schlachtfeld in Villeroy, als er seine Kompanie zum Angriff führte. Der Legende nach soll er wenige Tage zuvor aus der Ferne von dem jungen deutschen Dichter Ernst Stadler, der in Colmar geboren wurde, erkannt worden sein. Ernst Stadler hatte die Gedichte von Péguy ins Deutsche übersetzt. Der junge Deutsche ließ Péguy eine Nachricht zukommen, die dieser auch nach stundenlangem Bemühen nicht entziffern konnte. Er soll darauf geantwortet haben: „Werter Freund, ich verstehe Ihre Worte nicht, aber ich liebe Sie.“ Am 30. Oktober 1914 fiel Ernst Stadler inYpres. Er war 31 Jahre jung. Und genau darin liegt unsere Geschichte: In diesen Tragödien, geprägt von Hoffnung und Verbundenheit.

Kurz vor seinem Tod hatte Ernst Stadler seinen Band „Der Aufbruch“ herausgebracht, in dem diese Verse voller Menschlichkeit zu lesen sind:

„Vielleicht würden uns am Abend Siegesmärsche umstreichen, vielleicht lägen wir irgendwo ausgestreckt unter Leichen. Aber vor dem Erraffen und vor dem Versinken würden unsre Augen sich an Welt und Sonne satt und glühend trinken.“

Und damit auch unsre Augen sich an Welt und Sonne satt und glühend trinken können, haben unsere Vorfahren ihr Leben geopfert. Ja, es stimmt, dass Europa nicht immer in allem ein Vorbild ist. Aber heute zeigt Europa der Welt, wozu die Menschheit imstande ist, wenn die Hoffnung stärker als das Verhängnis ist, wenn die Freundschaft zwischen den Völkern stärker als der kriegerische Wahn ist, wenn wir entscheiden, dass morgen besser als gestern sein wird.“ (Fundstück)