Einwurf

Fußball-Untreue

Von Walther Seinsch

Liebe Leser,

ein einziges Mal bin ich in meinem Leben dem Fußball untreu geworden; bis zum Alter von vierzehn Jahren hatte ich kein Training und kein Spiel versäumt und war glücklich damit. Dann begann ich mich für Mädchen zu interessieren und ließ mich von einem Freund in die angesagte Eisdiele schleppen, wo „man“ sich traf; unter den hübschen Mädels war eine besonders auffallende junge Dame, die mit Tenniskleidung und Tennisschläger bewaffnet war und die, wie mein Freund mir zuflüsterte, nicht zu haben war, weil aus besseren Kreisen.

Das spornte mich erst recht an. Ich lieh Tennis-Shirt und Short und Schuhe und Schläger und eine Sonnenbrille, schwänzte das Fußball-Training und tauchte als Tennisspieler in der Eisdiele auf; dreimal habe ich das Training geschwänzt und dreimal habe ich versucht, die Lady zu überzeugen.

Es war ein Reinfall. Die Dame hatte keinen Geschmack und kein Feeling.

In tiefster Reue ging ich wieder zum Fußballtraining und hatte sogar den Mut, meinem sehr beliebten Trainer zu beichten, wie ich aus der Rolle gefallen war. Er reagierte, indem er mein Selbstbewusstsein stärkte und mir einen Roman über englische Bergarbeiter schenkte, die ihr schwieriges Leben mit Fußball bereicherten. Dann erklärte uns der Trainer, dass wir stolz auf unseren Sport sein können, weil auch viele berühmte Schriftsteller und Schauspieler Fußballer sind.

Ich habe nie wieder versucht, Tennis zu spielen und bin den Mädels dennoch eines Tages zum Opfer gefallen! Als meine Instinkte (wir nannten das damals „Oberschenkel-Innenseite“) sich etwas beruhigt hatten, habe ich mit dem Fußball weitergemacht.