G e d i c h t e

Theodor Fontane

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, ein Birnbaum in seinem Garten stand, und kam die goldene Herbteszeit und die Bäume leuchteten weit und breit, da stopfte, wenn´s Mittag vom Turme scholl, der von Ribbeck sich beide Taschen voll, und kam in Pantinen ein Junge daher, so rief er: „Junge, wiste ´ne Beer?“ Und kam ein Mädel, so rief er: „Lütt Dirn, kumm man röwer, ick hebb ´ne Birn.“

So ging es viele Jahre, bis lobesam der von Ribbeck zu sterben kam. Er fühlte sein Ende, ´s war Herbsteszeit, wieder lachten die Birnen weit und breit; da sagte von Ribbeck: „Ich scheide nun ab, legt mir eine Birne mit ins Grab.“ Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus, trugen von Ribbeck sie hinaus, alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht sangen „Jesus meine Zuversicht“, und die Kinder klagten, das Herze schwer: „He is dod nu. Wer giwt uns nu ´ne Beer?“

So klagten die Kinder. Das war nicht recht – ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht; der neue freilich, der knausert und spart, hält Park und Birnbaum strenge verwahrt, aber der alte, vorahnend schon und voll Mißtrauen gegen den eigenen Sohn, der wußte genau, was damals er tat, als um eine Birn` ins Grab er bat, und im dritten Jahr aus dem stillen Haus ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.

Und die Jahre gehen wohl auf und ab, längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab, und in der goldenen Herbsteszeit leuchtet´s wieder weit und breit. Und kommt ein Jung´ übern Kirchhof her, so flüstert´s im Baume: „Wiste ´ne Beer?“ Und kommt ein Mädel, so flüstert´s: „Lütt Dirn, kumm man röwer, ick gew´dir ´ne Birn.“

So spendet Segen noch immer die Hand des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.

Erich Kästner: Sachliche Romanze

Als sie einander acht Jahre kannten (und man darf sagen: sie kannten sich gut), kam ihre Liebe plötzlich abhanden. Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.

Sie waren traurig, betrugen sich heiter, versuchten Küsse, als ob nichts sei, und sahen sich an und wußten nicht weiter. Da weinte sie schließlich. Und er stand dabei.

Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken. Er sagte, es wäre schon Viertel nach Vier und Zeit irgendwo Kaffee zu trinken. Nebenan übte ein Mensch Klavier.

Sie gingen ins kleinste Café am Ort und rührten in ihren Tassen. Am Abend sassen sie immer noch dort. Sie saßen allein, und sie sprachen kein Wort und konnten es einfach nicht fassen.

Mascha Kaleko

Wir waren ein Paar, jeder ein seliger Singular. Liebten einander als Ich und als Du. Jeglicher Morgen ein Rendezvous. Ich und Du wir waren ein Paar. Glaubt man es wohl an die vierzig Jahr. Liebten einander in Wohl und Wehe. Führten die einzig mögliche Ehe. Waren so selig wie Wolke und Wind. Weil zwei Singulare kein Plural sind.

Mascha Kaleko

Man braucht nur eine Insel allein im weiten Meer.

Man braucht nur einen Menschen, den aber braucht man sehr.