G e d i c h t e

Johann Wolfgang Goethe: Der Narr epilogiert

Manch gutes Werk hab ich verricht, Ihr nehmt das Lob, das kränkt mich nicht: Ich denke, daß sich in der Welt alles bald wieder in´s Gleiche stellt.

Lobt man mich weil ich was Dummes gemacht, dann mir das Herz im Leibe lacht; schilt man mich weil ich was Gutes getan, so nehm ichs ganz gemächlich an.

Schlägt mich ein Mächtiger daß es schmerzt, so tu ich als hätt´er nur gescherzt; doch ist es einer von meines Gleichen, den weiß ich wacker durchzustreichen.

Hebt mich das Glück, so bin ich froh und sing in dulci Jubilo; senkt sich das Rad und quetscht mich nieder, so denk ich: nun, es hebt sich wieder!

Grille nicht bei Sommersonnenschein daß es wieder werde Winter sein; und kommen die weißen Flockenscharen, da lieb ich mir das Schlittenfahren.

Ich mag mich stellen wie ich will, die Sonne hält mir doch nicht still, und immer gehts den alten Gang das liebe lange Leben lang.

Der Knecht so wie der Herr vom Haus ziehen sich täglich an und aus, sie mögen sich hoch oder niedrig messen: müssen wachen, schlafen, trinken und essen.

Drum trag ich über nichts ein Leid; machts wie der Narr so seid ihr gescheid!

Justinus Kerner: Ikarus

Mir träumt´, ich flög´gar bange weit in die Welt hinaus, zu Straßburg durch alle Gassen bis vor Feinsliebchens Haus.

Feinsliebchen ist betrübet als ich so flieg und weint: wer dich so fliegen lehrte das ist der böse Feind.

Feinslieb, was hilft hier lügen da du doch alles weißt: wer mich so fliegen lehret, das ist der böse Geist.

Feinsliebchen weint und schreiet daß ich am Schrei erwacht da lieg ich, ach! in Augsburg gefangen auf der Wacht.

Und morgen muß ich hangen Feinslieb mich nicht mehr ruft, wohl morgen als ein Vogel schwank ich in freier Luft.

Das Mädchen mit dem Muttermal

Woher sie kam, wohin sie ging, das hab´ich nie erfahren. Sie war ein namenloses Ding von etwa 18 Jahren. Sie küßte selten ungestüm. Dann duftete es wie Parfüm aus ihren keuschen Haaren.

Wir spielten, wir scherzten nur; wie haben nie gesündigt. Sie leistete mir jeden Schwur und floh dann ungekündigt, entfloh mit meiner goldnen Uhr am selben Tag, da ich erfuhr, man habe mich entmündigt.

Verschwunden war mein Siegelring beim Spielen oder Scherzen. Sie war ein zarter Schmetterling, ich werde nie verschmerzen, wie vieles Goldene sie stahl, das Mädchen mit dem Muttermal zwei Handbreit unterm Herzen.

Missglücktes Liebesabenteuer

Das Herz sitzt über dem Popo. – Das Hirn überragt beides. Leider! Denn daraus entspringen so viele Quellen des Leides.

Doch ging uns plötzlich das Hirn ins Gesäß und die Afterpracht in die Köpfe, wir wären noch minder als hohles Gefäß, nur gestürzte, unfertige Töpfe.

Herz, Arsch und Hirn. – Ich ziehe retur meine kleinliche Überlegung. – Denn dieses ganze Gedicht kommt nur aus einer enttäuschten Erregung.

A u s

Nun geh ich stumm an dem vorbei, wo wir einst glücklich waren, und träume vor mich hin: es sei alles wie vor zehn Jahren.

Und du bist schön, und du bist gut und hast so hohe Beine: Und mir wird so loreley zumut, und ich bin doch nicht Heine.

Ich klappe meine Träume zu und suche mir eine Freude. Auf daß ich nicht so falsch wie du mein Stückchen Herz vergeude.