G e d i c h t e

Peter Hacks: Flüchtlingslied

Denk ich der Heimat, die ich ließ, o welche Pein! und doch so süß; es ist sentimentaler als Bücher von Courths-Mahler.

Die Heimat ist ein herrlich Land, wie es noch kein Kolumbus fand; mit Bergen und mit Tälern, mit breitern und auch schmälern.

Darinnen liegt die Heimatstadt, wie man sie nicht gesehen hat; sie ist gemacht aus Häusern, aus kleinern und auch größern.

Vernehmt ihr dies, so wird euch klar, was ich verlor und wie es war; daß ihr nicht unbegründet mich voll Betrübnis findet.

Wenn mancher Platz auch reicher wär, die Heimatstadt bleibt singulär: Bedenkt! in ihren Toren bin ich! ich selbst! geboren.

Peter Hacks: Gotisches Bild

In einer Landschaft, die voll runder, bestielter, netter Bäume steht, verharrt ein Mädchen im Gebet und fleht um Wunder.

Ein Blümlein ist bei ihrem Fuße. Halb träumend noch und liebesmatt verübt sie, weil sie Gründe hat, andächtig Buße.

Ganz gleich, was ihr statt jener tätet. Sie tut es schön….. wenn man ermißt, wie sehr sie uns sympatisch ist, obwohl sie betet.

Mascha Kaleko: Der nächste Morgen

Ich zog mich an. Du prüftest meine Beine. Es roch nach längst getrunkenem Kaffee.

Ich ging zur Tür. Mein Dienst begann um neune.

Ich ahnte viel-. Doch sagte ich nur das Eine: „Nun ist es aber höchste Zeit! Ich geh…….“

Unbekannter Dichter: O du schöner Rosengarten

O du schöner Rosengarten, O du schöner Lorienstrauß, bist mir stets in meinem Herzen, kommst mir nimmermehr heraus.

Vater und Mutter wollen´s nit leiden, gelt mein Schatz, das weißt du wohl; sag mir die gewisse Stunde, wo ich zu dir kommen soll.

O du schöner Rosengarten, O du schöner Himmelsthron! Ei, wie lang muß ich noch warten? Hätt ich dich nur wirklich schon.

Bin so oft bei dir gewesen, manche schöne halbe Nacht, und bei dir den Schlaf vergessen und in Liebe zugebracht.

Erich Kästner: Sachliche Romanze

Als sie einander acht Jahre kannten (und man darf sagen: sie kannten sich gut), kam ihre Liebe plötzlich abhanden. Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.

Sie waren traurig, betrugen sich heiter, versuchten Küsse, als ob nichts sei, und sahen sich an und wußten nicht weiter. Da weinte sie schließlich. Und er stand dabei.

Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken. Er sagte, es wäre schon Viertel nach Vier und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken. Nebenan übte ein Mensch Klavier.

Sie gingen ins kleinste Café am Ort und rührten in ihren Tassen. Am Abend saßen sie immer noch dort. Sie saßen allein, und sie sprachen kein Wort und konnten es einfach nicht fassen.

Klabund: Liebeslied

Dein Mund, der schön geschweifte, dein Lächeln, das mich streifte, dein Blick, der mich umarmte, dein Schoß, der mich erwarmte, dein Arm, der mich umschlungen, dein Wort, das mich umsungen, dein Haar, darein ich tauchte, dein Atem, der mich hauchte, dein Herz, das wilde Fohlen, die Seele unverhohlen, die Füße, welche liefen, als meine Lippen riefen -: Gehört wohl mir, ist alles meins, wüßt´ nicht, was mir das Liebste wär´, und gäb nicht Höll´ noch Himmel her: Eines und alles, all und eins.