G e d i c h t e

= Kurt Tucholsky: Danach

Es wird nach einem happy end im Film jewöhnlich abjeblendt. Man sieht bloß noch ihre Lippen den Helden seinen Schnurrbart stippen – da hat sie nu den Schentelmen. Na, und denn – ?

Denn jehn die beeden brav ins Bett. Naja …. diß is ja auch janz nett. Aber manchmal möchte man doch jern wissen: Wat tun se, wenn se nich kissn? ? Die könn doch nich imma penn ….! Na, un denn – ?

Denn säuselt im Kamin der Wind. Denn kricht det junge Paar ´n Kind. Denn kocht sie Milch. Die Milch looft üba. Denn macht er Krach. Denn weent sie drüba. Denn wolln sich beede jänzlich trenn …. Na, und denn – ?

Denn is det Kind nich uffn Damm. Denn bleihm die beeden doch zesamm. Denn quäln se sich noch manche Jahre. Er will noch wat mit blonde Haare: vorn doof und hinten minorenn …. Na, un denn – ?

Denn sind se alt. Der Sohn haut ab. Der Olle macht nu ooch bald schlapp. Vajessen Kuß und Schnurrbartzeit – ach Menschenskind, wie liecht det weit! Wie der scharf uff Muttern war, det i schon beinah nich mehr wahr! Der olle Mann denkt so zurück: wat hat er nu von seinem Jlück? Die Ehe war zum jrößten Teile vabrühte Milch un Langeweile. Und darum wird beim happy end im Film jewöhnlich abjeblendt.

= Peter Hacks: Als mein Mädchen zu Besuch kam

Als mein Mädchen zu Besuch kam, unerwartet wie ein Lied – als ich sie dann auf das Tuch nahm, das mein Bette überzieht, als die Frösche und die Vögel, munter quarrten in der Nacht, habe ich von Gottes Regel besser als zumeist gedacht.

Als mit Lachen und mit Stöhnen, als mit zärtlichem Gelüst an der Schönheit meiner Schönen ich mich noch nicht sattgeküßt, als der Morgensonne Prangen aus den Wiesen sich erhob, wußte ich dem Unterfangen seiner ganzen Schöpfung Lob.

Diese Nacht war von den Nächten, wo der Mensch die Liebe spürt, wo die Knoten sich entflechten, die man ihm ums Herz geschnürt, als mein Mädchen zu Besuch kam, unerwartet wie ein Lied, und wo ich sie auf das Tuch nahm, das mein Bette überzieht.

Heinrich Heine: Nachtgedanken

Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht, ich kann nicht mehr die Augen schließen, und meine heißen Thränen fließen.

Die Jahre kommen und vergehn! Seit ich die Mutter nicht gesehn, zwölf Jahre sind schon hingegangen; es wächst mein Sehnen und Verlangen.

Mein Sehnen und Verlangen wächst. Die alte Frau hat mich behext, ich denke immer an die alte, die alte Frau, die Gott erhalte!

Die alte Frau hat mich so lieb, und in den Briefen, die sie schrieb, seh´ ich wie ihre Hand gezittert, wie tief das Mutterherz erschüttert.

Die Mutter liegt mir stets im Sinn, zwölf lange Jahre flossen hin, zwölf lange Jahre sind verflossen, seit ich sie nicht ans Herz geschlossen.

Deutschland hat ewigen Bestand, es ist ein kerngesundes Land, mit seinen Eichen, seinen Linden, werd´ ich es immer wiederfinden.

Nach Deutschland lechzt´ ich nicht so sehr, wenn nicht die Mutter dorten wär´; das Vaterland wird nie verderben, jedoch die alte Frau kann sterben.

Seit ich das Landf verlassen hab´, so viele sanken dort in´s Grab, die ich geliebt – wenn ich sie zähle, so will verbluten meine Seele.

Und zählen muß ich – Mit der Zahl schwillt immer höher meine Qual, mir ist als wälzten sich die Leichen auf meiner Bust – Gottlob! sie weichen!

Gottlob durch meine Fenster bricht französisch heit´res Tageslicht; es kommt mein Weib, schön wie der Morgen, und lächelt fort die deutschen Sorgen.