G e d i c h t e

= Heinrich Heine: Du bist wie eine Blume

Du bist wie eine Blume, so hold und schön und rein; ich schau dich an, und Wehmut schleicht mir ins Herz hinein.

Mir ist, als ob ich die Hände aufs Haupt dir legen sollt, betend, daß Gott dich erhalte so rein und schön und hold.

= Eduard Mörike: Er ists

Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte; süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land.

Veilchen träumen schon, wollen balde kommen.

Horch, von fern ein leiser Harfenton! Frühling, ja du bists! Dich hab ich vernommen!

= Unbekannter Dichter: Es waren zwei Königskinder

Es waren zwei Königskinder, die hatten einander so lieb, sie konnten zusammen nicht kommen, das Wasser war viel zu tief.

„Ach Liebster, kannst du nicht schwimmen, so schwimme doch her zu mir, drei Kerzen will ich dir anzünden, und die sollen leuchten dir.“

Das hört eine falsche Nonne, die tat als wenn sie schlief, sie tät`die Kerzen auslöschen, der Jüngling ertrank so tief.

Ein Fischer wohl fischte lange, bis er den Toten fand: „Sie da, du liebliche Jungfrau, hast hier deinen Königssohn.“

Sie nahm ihn in die Arme und küßtihm den bleichen Mund, es mußt ihr das Herze brechen, sank in den Tod zur Stund`.

= Erich Fried: Wie du solltest geküsst sein

Wenn ich dich küsse, ist es nicht nur dein Mund, nicht nur dein Nabel, nicht nur dein Schoß, den ich küsse. Ich küsse auch deine Fragen und deine Wünsche, ich küsse dein Nachdenken, deine Zweifel und deinen Mut.

Deine Liebe zu mir und deine Freiheit von mir, deinen Fuß, der hergekommen ist und der wieder fortgeht, ich küsse dich, wie du bist und wie du sein wirst, morgen und später und wenn meine Zeit vorbei ist.