G e d i c h t e

= E. Fried: „Wie du solltest geküsst sein“ (für Elisabeth)

Wenn ich dich küsse ist es nicht nur dein Mund – nicht nur dein Nabel – nicht nur dein Schoß, den ich küsse. Ich küsse auch deine Fragen und deine Wünsche – ich küsse dein Nachdenken, deine Zweifel und deinen Mut – deine Liebe zu mir und deine Freiheit von mir, deinen Fuß, der hergekommen ist und der wieder fortgeht – ich küsse dich wie du bist und wie du sein wirst morgen und später und wenn meine Zeit vorbei ist.

= B. Brecht: „Fragen eines lesenden Arbeiters“

Wer baute das siebentorige Theben ? In den Büchern stehen die Namen von Königen. Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt ? Und das mehrmals zerstörte Babylon – wer baute es so viele Male auf ? In welchen Häusern des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute ? Wohin gingen an dem Abend, wo die chinesische Mauer fertig war, die Maurer ? Das große Rom ist voll von Triumphbögen. Wer errichtete sie ? Über wen triumphierten die Cäsaren ? Hatte das vielbesungene Byzanz nur Paläste für seine Bewohner ? Selbst in dem sagenhaften Atlantis brüllten in der Nacht, wo das Meer es verschlang, die Ersaufenden wohl nach ihren Sklaven.

Der junge Alexander eroberte Indien. Er allein ? Cäsar schlug die Gallier. Hatte er nicht wenigstens einen Koch mit ? Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte untergegangen war. Weinte sonst niemand ? Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer siegte außer ihm ?

Jede Seite ein Sieg. Wer kochte den Siegesschmaus ? Alle zehn Jahre ein großer Mann. Wer bezahlte die Spesen ?

So viele Berichte. So viele Fragen.

= R. Ausländer: N i e

Nie werde ich die Drossel erreichen – nie mit drei Lauten umzugehen wissen als wären sie alles.

= E. Borchers: Z e i t . Z e i t .

Ich muss endlich begreifen, daß ich Zeit habe. Zeit für den Vogel auf der Brüstung, der mit mir redet, im Auftrag. Zeit für den Lampenfuß, in dem sich das Erdenlicht spiegelt. Zeit für die Katze auf dem blauen Samt, im kleinsten Format an der Wand von Almut gemalt, als beide noch lebten. Auch für das Schaf mit den schwarzen Ohren, den schielenden Augen, dem schiefen Maul und dem durstigen Mund. Indianisch, ganz einfach, instruktiv. Vermissen werde ich`s im kommenden Jahrhundert. Ich habe noch nicht ein stillschweigendes Wort mit der getrockneten Rose gewechselt, woher und wohin denn. Und das Kalenderbuch in schwarzem Leder mit der goldenen Jahreszahl klafft elegant auseinander, um mich ein- und auszulassen.

Lernen Zeit zu haben. Lernen, daß es zu spät ist.

= H.M. Enzensberger: Eine Altersfrage

Die alte Dame mit dem Krückstock, was hat sie alles über sich ergehen lassen ! Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Brandbomben, Rentenformeln, „Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung“ (hört sich schlimmer an als es ist, hat der Notar gesagt, als er den Zwicker abnahm), und noch dazu die vielen Kindertaufen, Rohrbrüche und Beerdigungen.

Wie sie uns zuzwinkert aus ihren kornblumenblauen Augen ! Ihr entzückendes Lächeln, wo es nur herkommt ? Das weiß der Himmel.

= W. Biermann: Ermutigung (Peter Huchel gewidmet)

Du, lass dich nicht verhärten in dieser harten Zeit. Die all zu hart sind, brechen, die allzu spitz sind, stechen und brechen ab sogleich.

Du, lass dich nicht verbittern in dieser bittren Zeit. Die Herrschenden erzittern – sitzt du erst hinter Gittern – doch nicht vor deinem Leid.

Du, lass dich nicht erschrecken in dieser Schreckenszeit. Das wolln sie doch bezwecken, daß wir die Waffen strecken schon vor dem großen Streit.

Du, lass dich nicht verbrauchen, gebrauche deine Zeit. Du kannst nicht untertauchen, du brauchst uns und wir brauchen grad deine Heiterkeit.

Wir wolln es nicht verschweigen in dieser Schweigezeit. Das Grün bricht aus den Zweigen, wir wolln das allen zeigen. Dann wissen sie Bescheid.

= Heinrich Böll an seine Enkel:

Wir kommen weit her liebes Kind und müssen weit gehen – keine Angst, alle sind bei dir, die vor dir waren, deine Mutter, dein Vater und alle, die vor ihnen waren. Weit weit zurück, alle sind bei dir – keine Angst, wir kommen weit her und müssen weit gehen, liebes Kind.

F r a u e n – Q u o t e

= Der Deutsche Journalistenverband organisiert eine Konferenz „Frau Macht Medien“. Im Bericht der S.Z. heißt es u.a.: „Journalistinnen seien sowohl mit Chefredakteuren konfrontiert, die sie kleinhalten wollen als auch mit Informanten, oft Männern älteren Baujahrs, die bei einer Recherche glaubten, das Interesse an ihnen sei mehr als nur professioneller Natur. Stärkstes Argument im Kampf für die Gleichberechtigung sei die schlechtere Bezahlung von Frauen. „Warum reichen ein Penis und Haare auf der Brust, um mehr Geld zu bekommen.“

= Alice Schwarzer schildert in ihrem Buch „Der kleine Unterschied“ die Biographien von 17 Frauen und ihren männlichen Unterdrückern. Den ersten Beischlaf kommentiert sie so: „Keine tut es aus Lust, alle tun es aus Angst.“ Schwarzer schreibt von der empfindungslosen Vagina und von den Wesen mit Penis, die so kaputt seien, dass sie diese fünf Minuten mechanischer Reibung für Sexualität halten.

= In den Naturwissenschaften liegt der Anteil der Frauen unter den Habilitierten bei 14 Prozent. Da muss die Quote her ! Oder sollte man fragen, wieviele Frauen Naturwissenschaften studieren ?

= Warum haben wir noch keine Quotenregelungen für Pianistinnen, Malerinnen, Dirigentinnen ? Wann kommt die erste Schach-Weltmeisterin?

= Das Feministinnen-Blatt ZEIT fragt: „Sind Frauen die besseren Anleger ? Warum die Finanzwelt weiblicher werden sollte.“

= S.Z. mit großer Schlagzeile: „Mütter am Rande des Nervenzusammenbruchs. Frauen mit Kindern sind öfter erschöpft und häufiger krank als noch vor einem Jahrzehnt. Denn sie wollen perfekt im Beruf sein, den Nachwuchs umsorgen und gleichzeitig die Hausarbeit erledigen. Protokoll einer Überforderung.“

= Frau Nichts-ist-gut-in-Aghanistan-Käßmann hat sich noch nicht geäußert zur systematischen Unterdrückung von Frauen im Islam. Warum ?

= „Das hilfsbedürftige Geschlecht. Aufklärungskampagnen, Quotenregelungen, Lohnpolizei – Frauen werden mit allen erdenklichen Mitteln gefördert. Die Programme kosten Millionen. Ein neues Papier belegt, wie hier ein Vorurteil von Staats wegen gegen jede Realität konstruiert wird.“ (Rico Bandle)

= Anne Schilling, Geschäftsführerin des Müttergenesungswerks: „Die Zahl der Mütter mit Erschöpfungssyndrom bis hin zum Burn-Out ist erheblich gestiegen. Der Anteil der Mütter, die wegen psychischer Störungen eine Kur machten, ist von 49 Prozent in 2003 auf 86 Prozent gestiegen.“

= „Schweden will die Quotenregelungen an Universitäten wieder abschaffen – sie benachteiligt Frauen.“ (WELT)

= „Dabei sind es die Frauen, die über die Rollenmuster der Geschlechter entscheiden, denn bei ihnen liegt die Erziehung, die frühe Prägung. Es ist gegen meine Würde, dass wir Frauen uns zu Opfern stilisieren.“ (Esther Vilar)

= Aus Leserbriefen in der FAZ: „Mein Tipp: Unternehmen gründen. Dann sind Frauen gleich ganz oben. Warum gründen so wenig Frauen Unternehmen ?“ (Marco Vogt) „Wenn ich genug Geld hätte – ich würde mein eigenes Unternehmen gründen und die Alphamänner draußen stehen lassen.“ (Johanna Geisel) (Kommentar: Man kann auch ohne eigenes Geld Unternehmen gründen ! Warum tummeln sich in der Berliner Gründerszene fast nur junge Männer ???)