Gedichte

= Freudvoll und leidvoll gedankenvoll sein,

Langen und bangen in schwebender Pein,

Himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt;

Glücklich allein ist die Seele, die liebt.

(J.W. von Goethe)

= Hörst du wie die Brunnen rauschen, hörst du wie die Grille zirpt ?

Stille, stille, lass uns lauschen, selig wer in Träumen stirbt.

Selig, wen die Wolken wiegen, wem der Mond ein Schlaflied singt,

O wie selig kann der fliegen, dem der Traum den Flügel schwingt,

daß an blauer Himmelsdecke Sterne er wie Blumen pflückt:

Schlafe, träume, flieg`, ich wecke bald dich auf und bin beglückt.

(Clemens Brentano)

= Stuttgarts Wein- und Bäckerstübchen (Joachim Ringelnatz)

Vor dem heißen Ofen balgen Katzen sich. Wie dumme Jungen.

Auf dem Tisch an kleinem Galgen hängen Brezel, schön geschwungen.

Würdebärte schlürfen kräftig wichtig diskutierte Weine.

Links im Laden bückt die Bäckerstochter sich geschäftig.

Zinn blitzt von der Holzfassade. Zeichnungen an allen Wänden,

(stumm, mit mehlbestaubten Händen, rückt der Wirt die schiefen gerade)

Setzte mich ganz bescheiden hin und vergaß auch nicht, laut zu grüßen.

Dennoch ließen Blicke mich leicht büßen, daß ich kein Stuttgarter bin.

= März. Brief nach Meran (Gottfried Benn)

Blüht nicht zu früh, ach blüht erst, wenn ich komme, dann sprüht erst euer Meer und euren Schaum, Mandeln, Forsythien, unzerspaltene Sonne – dem Tal den Schimmer und dem Ich den Traum.

Ich, kaum verzweigt, im Tiefen unverbunden, Ich, ohne Wesen, doch auch ohne Schein, meistens im Überfall von Trauerstunden, es hat schon seinen Namen überwunden, nur manchmal fällt er ihm noch flüchtig ein.

So hin und her – ach blüht erst, wenn ich komme, ich suche so und finde keinen Rat, daß einmal noch das Reich, das Glück, das fromme, der abgeschlossenen Erfüllung naht.