Gedichte

= Schön und gut und klar und wahr (Robert Gernhardt):

Da sind diese vier weißen Tauben, die sich in das Blau des Himmels schrauben. / Sie leuchten sehr auf beim Steigen, um sich kurz darauf dunkel zu zeigen. / Das machen sie immer gemeinsam, nie flog auch nur eine je einsam. / Warum die das tun ? Keine Ahnung. Möglicherweise als Mahnung: Es ist schön, sich im Aufwind zu wiegen. Es ist gut, nicht alleine zu fliegen. Es ist klar, daß Steigen schon viel ist. Es ist wahr, daß der Weg das Ziel ist.

= K a n t (Robert Gernhardt):

Eines Tages geschah es Kant, daß er keine Worte fand.

Stundenlang hielt er den Mund, und er schwieg nicht ohne Grund.

Ihm fiel absolut nichts ein, drum ließ er das Sprechen ein.

Erst als man zum Essen rief, wurde er wieder kreativ,

und sprach die schönen Worte: „Gibt es hinterher noch Torte ?“

= Summa Summarum (Theodor Fontane):

Eine kleine Stellung, ein kleiner Orden (fast wär ich auch mal Hofrat geworden), ein bißchen Namen, ein bißchen Ehre, eine Tochter „geprüft“, ein Sohn im Heere, mit siebzig `ne Jubiläumsfeier, Artikel im Brockhaus und im Meyer…. Altpreußischer Durchschnitt. Summa Summarum, es dreht sich immer um Lirum Larum, um Lirum Larum Löffelstiel. Alles in allem – es war nicht viel.

= Passend zur Europawahl: Friedrich Schiller:

Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben. Bewahret sie ! Sie sinkt mit euch; mit euch wird sie sich heben !

Pflichtlektüre für jeden politisch interessierten Menschen: „Verlorene Welten. Eine Geschichte der Indianer Nordamerikas 1700 – 1910“ von Aram Mattioli (Klett-Cotta). Zitate aus einer Buchbesprechnung von Eberhard Rathgeb:

„Als die Europäer in Nordamerika landeten, trafen sie auf Millionen Indianer, die verstreut in dem Land lebten. Die Europäer wollten etwas haben, das ihnen nicht gehörte. So verlogen konnte keiner von ihnen sein, zu glauben, solange kein Zaun zu sehen sei, wäre das Land frei zu haben und es gehöre demjenigen, der es einzäunen würde. Als die Staaten die Geschichte ganz offiziell in die Hand nahmen und es darum ging, Kolonien zu bilden, erklärten sie Land, das ihnen nicht gehörte, zu ihrem Besitz. Mattiolis Buch ist nie sentimental, nur traurig, empörend und erhellend. Die Siedler waren eine von materieller Not und dem Streben nach Glück getragene Menge von Einzeltätern, die sich nahmen, was sie brauchten.

Erst der Staat, der Kolonien gründete, und dann die Kolonien, die sich zu einem unabhängigen Staat erklärten, gaben der Ausrottung der Indianer eine rechtliche, vom Staat legitimierte Fassung. Der christliche, zivilisierte europäische Rassismus war die Grundlage der kommenden Blüte der modernen Welt: Nordamerika.

Ein großer Teil der Indianer ist schon vor der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung an den von den Europäern eingeführten Krankheiten wie Pocken, Masern, Diphtherie zugrunde gegangen.

Das junge Nordamerika war rassistisch, rücksichtslos, gierig, hochmütig, gewalttätig und verlogen. Die Indianer, die gleichsam neben der Zeit existierthatten, wurden in dieses Desaster hineingezogen und kamen darin um. Nordamerika, Europas Neugeburt, wurde immer größer und mächtiger. Aber wenn eine Sache so schlecht begonnen hat, kann das gut enden ?