Gedichte

Die Liebenden v. Bertolt Brecht

Sieh jene Kraniche in großem Bogen! Die Wolken, welche ihnen beigegeben zogen mit ihnen schon, als sie entflogen aus einem Leben in ein andres Leben.

In gleicher Höhe und mit gleicher Eile scheinen sie alle beide nur daneben.

Dass so der Kranich mit der Wolke teile den schönen Himmel, den sie kurz befliegen. Dass also keines länger hier verweile und keines andres sehe als das Wiegen des andern in dem Wind, den beide spüren, die jetzt im Fluge beieinander liegen.

So mag der Wind sie in das Nichts entführen, wenn sie nur nicht vergehen und sich bleiben, solange kann sie beide nichts berühren. Solange kann man sie von jedem Ort vertreiben, wo Regen drohen oder Schüsse schallen.

So unter Sonn und Monds wenig verschiedenen Scheiben fliegen sie hin, einander ganz verfallen.

Wohin, ihr ? – Nirgendhin. – Von wem davon ? – Von allen. Ihr fragt, wie lange sind sie schon beisammen ? Seit kurzem. – Und wann werden sie sich trennen ? – Bald.

So scheint die Liebe Liebenden ein Halt.


V e r j ü n g u n g – Dirk von Petersdorff

My dear, du bist am Morgen schon erschlafft und denkst am Abend Wellness, Pflege, Schonung, dagegen schießt dein Sohn mit schöner Kraft die Tennisbälle durch die Altbauwohnung.

Du musst nicht mehr die jungen Hosen tragen, orange und lässig schlackernd überm Knie, wenn sie ein andrer trägt in hellen Tagen, in seinem Kopf wohnt auch die Phantasie.

Nur seine Nasenflügel können beben, weil sie die großen Zukunftswiesen wittern – du siehst erstaunt zurück ins volle Leben und hälst die Kaffeetasse schon mit Zittern.

Doch in der Luft hängt überall sein Schwung, und wenn ihr lacht, dann seid ihr beide jung.


Verblühst du schon ? – Rainer Maria Rilke

Du verblühst schon, holde Rose, weckt dich nicht der Sonne Strahl ?

O, du liebe, kleine, lose – o, erblühe noch einmal !

Einmal öffne noch die Hülle, sieh, ich will bescheiden sein – einmal lass mich noch der Fülle deines Glanzes voll erfreun !


Theodor Storm

Mitunter weicht von meiner Brust, was sie bedrückt seit deinem Sterben; es drängt mich, wie in Jugendlust, noch einmal um das Glück zu werben.

Doch frag`ich dann: was ist das Glück ? So kann ich keine Antwort geben, als die, dass du mir kämst zurück, um so wie einst mit mir zu leben.

Dann seh`ich jenen Morgenschein, da wir dich hin zur Gruft getragen; und lautlos schlafen die Wünsche ein, und nicht mehr will ich das Glück erjagen.


Mutterns Hände – Kurt Tucholsky

Hast uns Stulln jeschnitten und Kaffee jekocht un de Töppe rübajeschohm – und jewischt und jenäht und jemacht und jedreht… alles mit deine Hände.

Hast de Milch zujedeckt, uns Bonbons zujesteckt und Zeitungen ausjetragen – hast die Hemden jezählt und die Kartoffeln jeschält…alles mit deine Hände

Hast uns manches Mal bei jroßem Schkandal auch ´n Katzenkopp jejeben. Hast uns hochjebracht, wir wahn Sticker acht, sechse sind noch am Leben… Alles mit deine Hände.

Heiß warn se und kalt. Nun sind se alt. Nu bist du bald am Ende. Da stehn wa nu hier, und denn komm wir bei dir und streicheln deine Hände.