Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker, Egon Bahr und Hans-Dietrich Genscher plädierten vor einigen Jahren „Für eine atomwaffenfreie Welt“ (FAZ)

„Henry Kissinger, George Schultz, William Perry und Sam Nunn haben 2007 zu einer atomwaffenfreien Welt aufgerufen. Sie haben in Administrationen von Demokraten und Republikanern als Außen- und Verteidigungsminister und im Vorsitz des Streitkräfteausschusses des Senats Respekt in den Vereinigten Staaten und darüber hinaus erworben. Gerade ihr Wissen und ihre Erfahrungen verleihen ihrer Sorge vor wachsenden atomaren Gefahren Gewicht. Als Realisten wissen sie, dass die Abschaffung aller Nuklearwaffen nur schrittweise erreichbar ist, und schlagen dringend praktische Schritte vor, damit aus der notwendigen Vision Wirklichkeit wird.

Das Schlüsselwort unseres Jahrhunderts heißt Zusammenarbeit. Kein globales Problem ist durch Konfrontation oder durch den Einsatz militärischer Macht zu lösen: weder die Bewahrung der Umwelt und der Klimaschutz oder auch der Energiebedarf für eine wachsende Weltbevölkerung, noch die Bewältigung der globalen Finanzkrise. Die Vereinigten Staaten tragen eine herausragende, unentbehrliche Verantwortung.

Den Aufruf der vier amerikanischen Persönlichkeiten zu einem scharfen Richtungswechsel in der Atompolitik nicht nur ihres Landes unterstützen wir ohne Vorbehalt. Das gilt insbesondere für folgende Vorschläge: Die Vision einer Welt ohne nukleare Bedrohung, wie sie Reagan und Gorbatschow in Reykjavik entwickelt haben, muss wiederbelebt werden. Mit dem Ziel einer drastischen Verringerung der Atomwaffen sind Verhandlungen aufzunehmen, zunächst zwischen den Vereinigten Staaten und Russland. Der Nichtverbreitungsvertrag (NVV) muss entscheidend gestärkt werden. Amerika muss den Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBT) ratifizieren. Alle atomaren Kurzstreckenwaffen müssen vernichtet werden.

Der Vertrag zur Raketenabwehr (ABM) muss wiederhergestellt werden. Der Weltraum darf nur für friedliche Zwecke genutzt werden. Die Zusammenarbeit im Interesse gemeinsamer Sicherheit hat die Präsidenten Bush und Gorbatschow befähigt, zum Ende des Kalten Krieges die gegenseitige Bedrohung durch atomare Mittelstreckenraketen zu beseitigen und 1990 die größte konventionelle Abrüstung in der Geschichte zu schaffen. In den mehr als 18 Jahren seither wurde dieser KSE genannte Vertrag das Fundament der Stabilität in Europa.

Diese Stabilität war solide und verlässlich genug, um die deutsche Einheit zu verkraften, das Ende des Warschauer Paktes zu überstehen, die Implosion der Sowjetunion zu überleben, die Souveränität der baltischen Staaten zu ermöglichen und die Erweiterung der NATO und der EU bis zur Realität des Jahres 2009 auszuhalten; sie wäre zum ersten Mal gefährdet durch den amerikanischen Wunsch, am Ostrand der NATO in Polen und der Tschechischen Republik Raketen mit einem dazu passenden Radarsystem auf exterritorialen Stützpunkten zu stationieren.

Nun plädiert der russische Präsident Medwedjew für eine neue gesamteuropäische Sicherheitsstruktur. Wir empfehlen, die Chance ernsthaft zu sondieren. Sicherheit und Stabilität für den nördlichen Teil des Globus – das ist nur mit einer soliden und verbindlichen Zusammenarbeit zwischen Amerika, Russland, Europa und China zu schaffen.

Partnerschaft verträgt sich schlecht mit der immer noch gültigen Doktrin der NATO und Russlands zum Erstgebrauch von Atomwaffen, auch wenn beide Seiten nicht atomar angegriffen werden. Ein allgemeiner Non-first-use-Vertrag unter den atomar bewaffneten Staaten wäre ein drängend wünschenswerter Schritt.

Deutschland, das auf atomare, biologische und chemische Waffen verzichtet hat, muss jedenfalls darauf dringen, dass die Nuklearstaaten sich verpflichten, keine Atomwaffen gegen Länder einzusetzen, die über solche Waffen nicht verfügen.

Wir vertreten auch die Auffassung, dass die restlichen atomaren Atomsprengköpfe aus der Bundesrepublik Deutschland abgezogen werden sollten.

Zusammenarbeit als Schlüsselwort unseres Jahrhunderts und sichere Stabilität auf dem nördlichen Teil des Globus können Meilensteine auf dem Weg zu einer nuklearwaffenfreien Welt werden.

Das sind unsere Antworten auf den Aufruf von Kissinger, Schultz, Perry und Nunn.“

Albert Einstein hatte sich zu diesem Thema wie folgt geäußert:

„Die entfesselte Gewalt des Atoms hat alles verändert, außer unsere Denkgewohnheiten, und wir gleiten einer Katastrophe ohnegleichen entgegen. Eine neue Art zu denken ist notwendig, wenn die Menschheit überleben will. Die Abwendung dieser Gefahr ist das dringendste Bedürfnis unserer Zeit geworden. Atomenergie kann immer nur der Zerstörung dienen.“