Wilhelm Dilthey: Das unermessliche Verdienst Kants liegt in der Entdeckung von dem absoluten Wert des guten Willens, welche vor ihm außer den unvergleichlichen christlichen Mystikern nur Platos großer Geist erblickte und auch dieser nur undeutlich, wie durch einen Schleier. Einmal gefunden, kann sie nie wieder verloren gehen, und in diesem Selbstbewusstsein des moralischen Geistes liegt geradezu eine Verstärkung der sittlichen Kräfte dieser Welt, welche wir diesem Manne verdanken. Er hat das Gewissen vor sich selber deutlich gemacht und vor sich selber gerechtfertigt.
Friedrich Nietzsche: Kant wollte auf eine „alle Welt“ vor den Kopf stoßende Art beweisen, daß „alle Welt“ Recht habe: – das war der heimliche Witz dieser Seele. Er schrieb gegen die Gelehrten zu Gunsten des Volks-Vorurteils, aber für Gelehrte und nicht für das Volk.
Karl Jaspers: Kant hat durch sein Werk einen Schritt im Philosophieren getan, der weltgeschichtliche Bedeutung hat. Vielleicht ist seit Plato nichts geschehen, was in der herben Luft des Denkens und aus ihr wirkend so weitreichende Folgen haben müßte, nicht im Raum der Technik und Naturbeherrschung, sondern im Inneren des Menschen für seine Denkungsart, sein Seinsbewusstsein, seine Ideen, seine Antriebe und seinen guten Willen.
Kant ist ein Träger der Humanität der Aufklärung. Er ist nicht nur der große Kopf, sondern der wahrhaftige Mensch. Sein Ethos kennt nicht übersteigerte Handlungen, in denen Moral unwahrhaftig konstruiert oder pathetisch demonstriert wird, um dann sich im eigensüchtigen Alltag zu verstecken. Sein Ethos ist das Ethos gerade des Alltags und jeden Augenblicks. Ihn brauchen wir nicht als ein Fremdes zu bewundern. Mit ihm können wir leben. Ihm möchten wir folgen.
José Ortega Gasset: Zehn Jahre habe ich innerhalb des Kantischen Gedankens gelebt; ich habe ihn eingeatmet wie eine Atmosphäre, und er war zugleich mein Haus und mein Gefängnis. Ich zweifle sehr, dass jemand, der nicht dergleichen tat, in Klarheit den Sinn unserer Zeit erblicken kann. Im Werke Kants sind die entscheidenden Geheimnisse der modernen Epoche enthalten, ihre Tugenden und ihre Grenzen. Dank seinem Genius sieht man in Kants Philosophie, vereinfacht zu einem Präzisionswerk der Uhrmacherkunst, das vielumfassende Leben des Okzidents der letzten vier Jahrhunderte ablaufen. Die „Unruhe“, die klar erkennbar die Räder dieser Gedanken bewegt, der Mechanismus ihres Ganges ist derselbe, der in der ungreifbaren Form von Tendenzen, Strömungen, Neigungen die europäische Geschichte seit der Renaissance getrieben hat.
Wilhelm von Humboldt: Kant unternahm und vollbrachte das größte Werk, das vielleicht je die philosophierende Vernunft einem einzelnen Manne zu danken gehabt hat. Er prüfte und sichtete das ganze philosophische Verfahren auf einem Wege, auf dem er notwendig den Philosophien aller Zeiten und aller Nationen begegnen musste, er maß, begrenzte und ebnete den Boden desselben, zerstörte die darauf angelegten Truggebäude und stellte, nach Vollendung dieser Arbeit, Grundlagen fest, in welchen die philosophische Analyse mit dem durch die früheren Systeme oft irregeleiteten und übertäubten natürlichen Menschensinne zusammentraf.