Ist die demokratische und rechtsstaatliche Zukunft Deutschlands und Europas gefährdet ?

Vor zehn Jahren hätte ich darauf geantwortet: „Dumme Frage ! Natürlich nicht ! Deutschland ist doch mit seinem Grundgesetz und der parlamentarischen Demokratie, seiner starken wirtschaftlichen Entwicklung und dem beispielhaften Sozial-Budget und der Einbindung in Europa bestens gegen Risiken und Anfeindungen gewappnet.

Drei Entwicklungen haben meinen Angstpegel stark steigen lassen:

  1. Durch das Internet haben sich die politischen Debatten immer mehr „privatisiert“; von einigen Ausnahmen abgesehen, erleben wir eine primitive, aggressive und destruktive politische Diskussion, in der unsere Regierung, unsere Politiker und die demokratischen Parteien zur Sau gemacht werden.
  2. Die klassischen Medien stehen seit Jahren vor dem wirtschaftlichen Kollaps, weil sie im Schnitt über 60 Prozent ihrer Abonenten und Anzeigenkunden an das Internet verloren haben. Also versucht man, die verbliebene Kundschaft mit Hetze gegen „die“ Politik und gegen „die“ Politiker bei der Stange zu halten.
  3. Die Wahlergebnisse in Thüringen haben mich schockiert. Zwei Drittel aller Wahlberechtigten haben sich nicht an der Wahl beteiligt oder sie haben die AfD oder die Linke gewählt.

Der typische Leserbrief eines Wutbürgers: „Alles, was die Deutschen erreicht haben, haben sie sich selbst erarbeitet, und zwar gegen die Parteien, die den Bürgern Steuern in enormer Höhe abgepresst haben, für Zwecke, die nicht immer zum Wohl des Volkes gereichen. Wir, die Bürger, alimentieren die Parteien, und das nicht zu knapp. Wenn es uns noch verhältnismäßig gut geht, dann trotz des Wirkens der Politiker und nicht wegen ihnen. Wir haben keinen Grund, dankbar zu sein.“ (Andreas Emmerich, Brombachtal in der FAZ). Noch zwei Leserbrief-Zitate: „Aus Erfahrungen haben die Politiker nichts gelernt, daher pflegen sie eine profilneurotische Wirkungsweise, Politik genannt, für deren Ausgang und Fehler sie ohnehin keine Verantwortung übernehmen. Kommt es dann über kurz oder lang zu Fehlentwicklungen, müssen die Bürger damit zurechtkommen.“

„Politiker sitzen wohlbehütet in ihrem Elfenbeinturm wie in einem Flugzeug und schauen aus großer und sicherer Höhe auf das Land herunter. Von hoch oben sieht alles schön aus. Die Politiker verweigern sich der Realität und wollen die Probleme nicht sehen.“

Ja, man muss feststellen, dass unsere von den Parteien getragene parlamentarische Demokratie von großen Teilen des „Volkes“ im Stich gelassen wird; Millionen Mitbürger stänkern, hetzen, sitzen frustriert vor ihrem Laptop und sind zu faul, einer Partei beizutreten und Einfluss zu nehmen.

Hannah Arendt: „Das Politische wurde im 20. Jahrhundert gleich zweimal an den Rand des Untergangs gedrängt: Einmal durch den totalitären Faschismus und den totalitären Kommunismus und einmal durch die Existenz der Atombombe, die in der Lage ist, die ganze Menschheit zu vernichten. Das Glück im Winkel der Konsumgesellschaft hat die Freude am Politischen fast vollständig erdrückt. Nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts ist der Wunsch populär, die Menschen würden auf irgendeine Weise die Politik abschaffen. Das ist dann der Anfang neuer totalitärer Ideologien.“

Kennedy: „Politik ist eine sehr edle Form des Dienens für die Allgemeinheit.“

Kennedy und Arendt sind Ausnahmen. In Deutschland versucht jeder Pseudo-Intellektuelle und fast jeder Journalist mit Hetze gegen politische Entscheidungen oder gegen Politiker in die Medien und in die Talk-Shows zu kommen und damit Geld zu verdienen; Beispiele:

  • Marina Weisband bei Maybritt ILlner: „Jeder hat den Eindruck, dass man in der Politik nur durch Korruption weiterkommt, dass im Prinzip kein hochrangiger Politiker eine saubere Weste hat“
  • Süddeutsche Zeitung über den „Protest der Generationen“ mit einem Foto von einer Anti-Atomkraft-Demo; dort steht auf einem großen Transparent ein Foto von Angela Merkel und der Text: „Die deutsche Atomnutte. Atommüll in den Tiefbahnhof und Angie in die Asse.“
  • Ein Zitat in der S.Z.: „Viele Kulturen ekeln sich vor Kot und schmierigen Politkern.“
  • „Runden der Ratlosigkeit. Ernsthaft regiert wird in Berlin nicht mehr.“ (SPIEGEL)
  • „Benzinpreise: Handfestes Politikversagen.“ (FAZ)
  • Bernhard Madoff, der größte Betrüger aller Zeiten in der WELT: „Die ganze Regierung ist ein Schneeballsystem.“
  • Herbert Grönemeyer: „Politiker lügen doch alle.“
  • Katharina Thalbach: „Monarchie – am besten mit einer Königin – ist gar keine so schlechte Staatsform, weil sie nicht so verlogen wie unsere sogenannte Demokratie ist. Ich hielt und halte Politiker an sich für Betrüger und Schnorrer.“
  • Der Großjournalist Hajo Schumacher in der Welt: „Warum präsentieren sich unsere Volksvertreter als Schnäppchenjäger, Führungsversager und Lachnummern?“.
  • Noch ein Großjournalist: Harald Martenstein von der ZEIT: „Unsere politische und kulturelle Elite würde, wenn heute die NSDAP oder die SED regieren würde, zu mindestens 50 Prozent aus den selben Leuten bestehen.“ (Und die journalistische Elite ? Und Herr Martenstein ?)
  • Die ZEIT: „Der Niedergang von Thyssenkrupp ist nur Sinnbild eines Landes, in dem Politik und große Unternehmen zentrale Zukunftsfragen liegen gelassen haben.“

Es gibt auch einige wenige Gegenstimmen:

  • Robert Goldmann (New York) in der FAZ: „Jetzt freuen wir uns wieder auf die jährlichen Besuche in der Heimat und die vielen und langen Gespräche in einem Deutschland, das für Europa und die Welt zum Segen geworden ist. Auch wenn die Deutschen politisch streiten, sollten sie wissen: Als freie Gesellschaft ist Deutschland ein „Musterländle“.
  • Hans-Dieter Vontobel: „Demokratie ist eine Staatsform, die auf Mitbestimmung durch die Bürger setzt und darum hohe Legitimität genießt. Anstand, Respekt und Augenmaß bestimmen die politische Auseinandersetzung.“
  • F.C. Delius: „Die Nichtwähler sind Feinde der Demokratie.“
  • Über Angela Merkel: „Nach ihrem Rücktritt werden sich viele Deutsche nach ihrer ruhigen Hand sehnen und ihr eine Wertschätzung zuteilwerden lassen, die ihrer würdig ist. Auch wegen ihres pragmatischen, unprätentiösen und vor allem skandalfreien Regierungsstils.“ (Leserbrief)
  • „Die Kanzlerin hat ihren Kredit verbraucht ? Was für eine Fehleinschätzung. Genau das Gegenteil ist richtig; denn Merkels Scheck ist gedeckt: wirtschaftlich, politisch, moralisch. Unsere Kanzlerin ist eine feste Größe, um die wir in der Welt beneidet werden.“ (Leserbrief)
  • Zur Entscheidung Merkels, im Jahr 2015 über eine Million Flüchtlinge nach Deutschland kommen zu lassen: „Nicht die starke Wirtschaft, nicht die wissenschaftlichen und sportlichen Erfolge waren bisher die überzeugenden Antithese zu Hitler-Deutschland, sondern diese Entscheidung war es, die es uns auch erlaubt, uns als Teil der Menschheit zu fühlen. Das Unrecht ist damit natürlich nicht beseitigt, aber vielleicht verziehen – und das wäre sehr viel.“
  • Peer Steinbrück über das Verhalten der Medien in der Finanzkrise: „Vielen Journalisten fehlt das notwendige Fachwissen. Keiner hat wirklich eine Ahnung, aber keiner will die Klappe halten. Die Angewohnheit, im Kampf um Aufmerksamkeit jede Diskussion ind jede inhaltliche Auseinandersetzung als Skandal, Streit oder Zoff zu deklarieren, kratzte an den Fundamenten eines freiheitlichen Staates.“
  • Bitte lesen Sie oder empfehlen Sie das Buch „Vom Wesen und Wert der Demokratie“ von Hans Kelsen. Es geht darum, dass Parteien unpopuläre, aber unabdingbare Bestandteile der Freiheit sind.

Was können wir tun ? Was müssen wir tun, um unsere Demokratie in Deutschland und in Europa wetterfest zu machen ? Wie motivieren wir ein paar Millionen Menschen, sich in der CDU/CSU, SPD, FDP oder bei den Grünen anzumelden und mitzuarbeiten ? (Wäre das nicht eine Aufgabe für ARD und ZDF ?)