Jean Tigana, der Mann aus Mali.

von Peter Hartmann

Aus Mali rauszukommen, ist schwierig, leicht ist es für Terroristen reinzukommen. Es ist ein Binnenland und einer der zehn ärmsten Staaten der Welt, mit einem Pro-Kopf-Einkommen im Streubereich von null und mit einer Geburtenrate von 6,2 Kindern pro Frau. Als Boubou Tigana mit seiner französischen Ehefrau Mauricette nach Frankreich zog, war Mali noch eine Kolonie und der kleine Jean drei Jahre alt.

Boubou fand einen Job bei der Post in Toulon, eine Lebensversicherung. Jean wurde ebenfalls Briefträger, in Cassis, einem Hafenstädtchen. Er spielte Fussball in der Freizeitmannschaft der PTT, und mit seinen ausdauernden Postbotenbeinen fiel er einem Talentsucher auf. Da war er
schon zwanzig, und aus diesem federleichten Kerlchen, das nie zu kämpfen aufhörte, wurde der Liebling der Nation und ein Grossverdiener bei Lyon, Bordeaux und Marseille.

In der Equipe de France, die 1984 Europameister wurde, hielt er dem grossen Star Michel Platini den Rücken frei, Angebote von Barcelona, Juventus Turin und Tottenham schlug er als Patriot aus. Später setzte er seine Erfolge als Trainer fort. Einer der reichsten Afrikaner, der Ägypter Al-Fayed, holte ihn zum FC Fulham. Der Potentat lud den Trainer jeden Abend zum späten Rapport, aber da er fürchtete, vergiftet zu werden, musste Tigana als Mundschenk den aufputschenden Tee Al-Fayeds schlürfen und fand drei Jahre lang kaum Schlaf. Er trinkt ohnehin lieber Wein. In Bordeaux erwarb er das Chateau Bibian, schlug es aber wieder los, nachdem seine Tochter im Stadion von Hooligans angegriffen worden war. Mit Platini entzweite er sich, weil dieser das Versprechen brach, ihn bei der Wahl zum National coach zu unterstützen.

Jean Tigana kehrte nach Cassis zurück, wo er jeden Quadratmeter kennt, und kaufte ein neues Weingut, ist aber, mittlerweile sechzig, vor allem als Immobilienmakler unterwegs. Das Auto mit Radarwarngerät ist sein Büro. Aber hauptsächlich sammelt er in Europa medizinisches Gerät und lässt es nach Bamako transportieren, er erledigt das ganz allein, ohne Hilfsapparat, wie ein Briefträger.