„Jesus kann kein Jude gewesen sein“ – Wie sich die evangelische Kirche im „Dritten Reich“ den Nationalsozialisten angedient hat. (Aus der NZZ)

Bei den Nazis sollten neuheidnische Rituale an die Stelle des Christentums treten. Hitler wollte die Kirchen „abfaulen lassen wie ein brandiges Glied“. Die evangelische Kirche reagierte mit Entschlossenheit: Am 6. Mai 1939 wurde im thüringischen Eisenach das „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchlische Leben“ gegründet. Das Institut wurde getragen von elf deutschen evangelischen Landeskirchen, die sich zur Finanzierung des Instituts zusammentaten – ohne Zwang durch den NS-Staat.

Das Institut hatte das Ziel, alles, was irgendwie jüdisch war, zu beseitigen, um die Kirchen und das Christentum dem Nationalsozialismus anzugleichen. Aus dem Neuen Testament wurden jüdische Begriffe entfernt, das Alte Testament fiel so gut wie ganz weg. Jesus sollte nicht als Jude erscheinen, sondern als scharfer Gegner des Judentums.

Dass Luther judenfeindlich gewesen war, wurde im 19. Jahrhundert wieder entdeckt, und es war den deutschen Christen der 1930er Jahre hochwillkommen. In seiner Spätschrift „Von den Juden und ihren Lügen“ (1543) hatte Luther in grobianischer Brutalität die Vertreibung der Juden gefordert und die Zerstörung ihrer Häuser, ihrer Schulen und Sysnagogen empfohlen. Damit erschien er als eine Art Vorläufer Hitlers. Der Theologe Walter Grundmann sah in der „Entjudung der Volksgemeinschaft“ ein „Vermächtnis“ Luthers erfüllt. Für Grundmann ergab sich „mit Notwendigkeit, dass Jesus aller Wahrscheinlichkeit nach aufgrund seiner seelischen Artung kein Jude gewesen sein kann und es auch blutmäßig nicht war.“ Grundmann schuf eine „entjudete Bibel“, die Jesus zum überzeugten Kämpfer gegen das Judentum machte.

Die Arbeit des Entjudungsinstituts war ein Beitrag des Protestantismus zur Vernichtung der europäischen Juden.

Nach 1945 rechtfertigten die evangelischen Akteure ihr Entjudungsinstitut als Verteidigung des Christentums gegenüber dem Nationalsozialismus.

Walter Grundmann prägte in den Jahren der DDR als Leiter des Eisenacher Predigerseminars Generationen von Pfarrern und er war einer der meistgelesenen Neutestamentler der DDR; er betonte weiterhin einen tiefen Gegensatz zwischen Judentum und Christentum; seine Kommentare wurden auch in der Bundesrepublik zur Ausbildung evangelischer Pfarrer verwendet.

Nach dem Fall der Mauer wurde bekannt, dass Grundmann 15 Jahre lang für die Stasi der DDR tätig war.

Die Ausstellung „Erforschung und Beseitigung. Das kirchliche Entjudungsinstitut 1939 – 1945“ ist bis Ende Dezember 2020 im Lutherhaus Eisenach zu sehen.