Jetzt ist in Afghanistan Frieden möglich

Erstmals in der Geschichte des 17-jährigen Konfliktes schwiegen während der religiösen Feiertage die Waffen.
Bislang unvorstellbare Szenen spielten sich ab: Afghanen – Zivilisten, Soldaten, Taliban, Regierungsvertreter – lagen sich in den Armen und feierten gemeinsam das Ende des Fastenmonats Ramadan. Als die Führung der Taliban nach drei Tagen das Ende des Waffenstillstandes verkündete, folgten viele ihrer Kämpfer dem Befehl nur widerwillig. Offensichtlich hat sich das verlässliche Engagement der Nato für Sicherheit bewährt; es hat den notwendigen politischen Spielraum für einen afghanischen Friedensprozess eröffnet.

Präsident Ghanis Regierung hat mutig gehandelt, innenpolitische Risiken in Kauf genommen und so den Boden für eine Friedenslösung bereitet. Trotz mehrerer Anschläge in Kabul bot Ghani den Taliban Friedensverhandlungen ohne Vorbedingungen an. Mit der einseitigen und erstmaligen Ausrufung des Waffenstillstandes zeigte der Präsident allen Afghanen, dass Frieden mehr als nur eine ferne Zukunftsvision sein kann.

Die junge Generation, die die Hälfte der Bevölkerung ausmacht, erlebt zum ersten Mal Frieden im eigenen Land. Es bilden sich erste Ansätze einer noch nie dagewesenen Friedensbewegung. Junge und gut ausgebildete Menschen, darunter auch immer mehr Frauen, übernehmen Verantwortung für Frieden, Reformen und den Aufbau ihres Landes.

Die Taliban müssen begreifen, dass sie nicht durch Terror, sondern nur am Verhandlungstisch einen legitimen Platz in der Gesellschaft erreichen können.

Es geht vor allem um die schwierigen Fragen der Versöhnung und der Reintegration ehemaliger Kämpfer, wobei die Regierung klarstellt, dass grundlegende Errungenschaften wie die Menschenrechte – gerade auch für Frauen – nicht verhandelbar sind.

Die Nachbarstaaten Afghanistans müssen – auch im eigenen Interesse – in den Friedensprozess einbezogen werden; dazu haben sie sich auch in einer Reihe von internationalen Erklärungen bekannt.

Der Kampf gegen die Korruption und die Durchsetzung rechtsstaatlicher Verhältnisse – besonders gegen den Widerstand ehemaliger Kriegsfürsten – sind unabdingbar.

Die Nato-Staaten werden Afghanistan so lange unterstützen, bis der Friedensprozess abgeschlossen und der Rechtsstaat durchgesetzt ist. Dazu leistet auch Deutschland mit seiner zivilen und militärischen Unterstützung einen wichtigen Beitrag. (Erschienen in der FAZ – hier gekürzt wiedergegeben)