Journalismus kann töten – Fußball-Journalismus auch!

Auszug aus „11 Freunde“: Benjamin Kuhlhoff interviewt Henrik Larsson.

Henrik Larsson, Sie haben nahezu alle großen Titel in Europa gewonnen und bei den größten Klubs gespielt. Was war die dunkelste Stunde in Ihrer Karriere?

Der 6. Juni 2009. Nach einem Länderspiel gegen Dänemark saß ich in der Kabine. Ein Betreuer gab mir mein Handy und sagte, ich solle sofort meine Frau anrufen. Ich antwortete, dass ich erst noch duschen wolle. Er sagte nur: „Es ist ernst!“. Mein erster Gedanke war, dass unseren Kindern etwas passiert sei.

An diesem Tag starb Ihr jüngerer Bruder im Alter von nur 35 Jahren.

Er war seit Jahren drogenabhängig. Wir wussten, dass dieser Tag kommen würde. Ich habe mit ansehen müssen, wie er zugrunde ging, und konnte nichts tun. Ich, der Fußballstar, der in ganz Europa gefeiert wurde, der sich unbesiegbar fühlte, war hilflos. Ich hatte alles, er lebte in der Hölle. In diesen Momenten begriff ich, dass Fußball, mein Lebensinhalt, unwichtig ist. Ich beschloss, meine Karriere zu beenden.

ln der Folge kritisierten Sie die schwedischen Medien für ihr Verhalten.

Sie verdienten Geld mit unserem Leid. Das hat mich angewidert. Journalisten verlangten immer von mir, dass ich mich professionell verhalte, weil ich ein Vorbild für viele sei. Doch in dieser Situation haben sie ihre Maske fallen lassen. Was war mit ihrer eigenen Vorbildfunktion?

Was hat Sie am meisten schockiert?

Die Abendzeitungen titelten bereits „Larssons Bruder tot aufgefunden“, als ich noch auf dem Platz stand. Das ganze Land wusste also Bescheid, bevor ich es erfuhr. Journalisten belagerten unser Haus, lauerten meinen Eltern auf und versuchten mit allen Mitteln, an Informationen zu kommen. Ich hätte das ausgehalten, aber meine Familie war ihnen schutzlos ausgeliefert. Das werde ich manchen Menschen niemals verzeihen.

Welches Verhältnis hatten Sie vor seinem Tod zu Ihrem Bruder?

Ich habe jeden Tag an ihn gedacht und tue es noch heute. Die Ungewissheit – Wie geht es ihm? Wo ist er gerade? – hat mich aufgefressen. Doch kein Arzt und kein Geld der Welt konnten seine Dämonen vertreiben. Er hat sogar seinen Namen gewechselt, um mich vor seinem Leben zu schützen.

Wie klein wird die Karriere, wenn man das erlebt hat?

Ich habe gesehen, wie meine Eltern um zehn Jahre alterten, als sie ihren Sohn zu Grabe trugen. Ich würde jeden Titel, jedes verdammte Tor und jeden Tag meiner Karriere eintauschen, wenn mein Bruder gesund unter uns weilen würde. Aber das geht nicht. Dieser Schmerz wird immer bleiben.