Kurt Tucholsky: Mutterns Hände

Hast uns Stulln jeschnitten un Kaffe jekocht un de Töppe rübajeschohm – un jewischt un jenäht un jemacht un jedreht …….. alles mit deine Hände.

Hast de Milch zujedeckt, uns Bonbons zujesteckt un Zeitungen ausjetragen – hast die Hemden jezählt und Kartoffeln jeschält …… alles mit deine Hände.

Hast uns manches Mal bei jroßem Schkandal auch ´n Katzenkopp jejeben. Hast uns hochjebracht. Wir wahn Sticker acht, sechse sind noch am Leben …… Alles mit deine Hände.

Heiß warn se un kalt, nun sind se alt. Nu bist du bald am Ende. Da stehn wa nu hier, und dann komm wir bei dir und streicheln deine Hände.

Heinrich Heine:

Mein Kind, wir waren Kinder, zwei Kinder klein und froh; wir krochen ins Hühnerhäuschen, versteckten uns unter das Stroh.

Wir krähten wie die Hähne, und kamen Leute vorbei – „kikeriküh!“ sie glaubten, es wäre Hahnengeschrei.

Die Kisten auf unserem Hofe, die tapezierten wir aus, und wohnten drin beisammen, und machten ein vornehmes Haus.

Des Nachbars alte Katze kam öfters zum Besuch; wir machten ihr Bückling´ und Knickse und Komplimente genug.

Wir haben nach ihrem Befinden besorglich und freundlich gefragt; wir haben seitdem dasselbe mancher alten Katze gesagt.

Wir saßen auch oft und sprachen vernünftig, wie alte Leut´, und klagten wie alles besser gewesen zu unserer Zeit!

Wie Lieb und Treu und Glauben verschwunden aus der Welt, und wie so teuer der Kaffee und wie so rar das Geld! —

Vorbei sind die Kinderspiele und alles rollt vorbei, – Das Geld und die Welt und die Zeiten, und Glauben und Lieb´ und Treu´.

Rainer Maria Rilke: Der Panther (Im Jardin des Plantes, Paris)

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, daß er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, der sich im allerkleinsten Kreise dreht, ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille sich lautlos auf -, Dann geht ein Bild hinein, geht durch der Glieder angespannte Stille – und hört im Herzen auf zu sein.

Unbekannter Dichter:

Du bist min, ich bin din: des solt du gewis sin. du bist beslozzen in minem herzen: verlorn ist daz Slüzzelin: du muost immer drinne sin.

Du bist mein, ich bin dein: dessen sollst du gewiß sein. Du bist verschlossen in meinem Herzen: verloren ist das Schlüsselein: du mußt für immer drinnen sein.