Medien-Stadl (eine unendliche Geschichte in 3744 Folgen)

= Carsten Linnemann von der CDU hatte in einem Interview vorgeschlagen, Kinder, die kaum Deutsch sprächen, bei der Einschulung zurückzustellen. Die Nachrichtenagentur dpa verhunzte den Vorschlag zu der Meldung: „CDU-Politiker: Grundschulverbot für Kinder, die kein Deutsch können.“

= Ein von SPIEGEL-TV produzierter und von SAT 1 ausgestrahlter Beitrag heißt: „Roma: Ein Volk zwischen Armut und Angeberei.“ Hier werden wie in dem Nazi-Propagandafilm „Jud Süß“ rassistische Traditionen fortgeführt und Szenen gezeigt, die Roma mit Ratten in Verbindung bringen.

= „Die Leute zahlen Gebühren für ein Fernsehen, das sie nicht nutzen, die damit finanzierten Talk-Shows laden Gäste ein, die nichts zu dem beitragen können, was gerade geschieht, die Zuschauer vergessen sofort, was sie soeben gesehen haben. (Fundstück)

= Susanne Gaschke hat im Mai in der NZZ unter dem Titel „Es fehlt am Mut zur Selbstkritik“ einen sehr lesenswerten Artikel über das Glaubwürdigkeitsproblem von Journalisten geschrieben (vielleicht können Sie sich den Artikel runterladen). Daraus einige Zitate:

  • „Bei vielen Journalisten hat sich in den vergangenen dreißig Jahren eine ungute Haltung herausgebildet, ein Hang zu Besserwisserei und zum hypermoralischen Schiedsrichtertum.
  • Die Journalisten fingen an, selbst an ihre vermeintliche Neutralität zu glauben – und in Verbindung damit entwickelte sich eine Überheblichkeit, die schwer zu ertragen ist. Diese latente Hoffart der ja nur selbst ernannten, demokratisch durch nichts legitimierten Schiedsrichter hatte schon lange vor dem Internet angefangen.
  • In kaum einem anderen Berufsstand gibt es eine so schlechte Fehlerkultur, eine so unterentwickelte Fähigkeit zur Selbstkritik, eine solche Mimosenhaftigkeit und einen derartigen Korpsgeist, wenn ein Medium angegriffen wird. Journalisten, die fast die Existenz von Menschen vernichten, entwickeln Herzrythmusstörungen, wenn sie schief angeguckt werden.
  • Wir brauchen eine Reform der Journalistenausbildung – weniger auf Preise orientierte Schönschreiberei in den Journalistenschulen, mehr Praxis im Feld, mehr Reflexion des eigenen Wirkens, mehr Bescheidenheit, bessere Fehlerkultur.“
  • Kein Scherz: Die bayerischen Verleger fordern vom Staat mehr finanzielle Unterstützung für die gedruckte Zeitung. Die Politik solle über eine Förderung für die Zustellung nachdenken. Begründung: Die Zeitung ist für unsere Demokratie systemrelevant.
  • „Die Möglichkeit, bei ausbleibenden Neuigkeiten n i c h t zu berichten, scheint vielen Medien nicht zur Verfügung zu stehen.“ (Fundstück)
  • Der Medienwissenschaftler Norbert Bolz: „Es ist eines der größten Ärgernisse der letzten Jahrzehnte, dass der Meinungsjournalismus, der in Deutschland schon immer stärker war als in anderen Ländern, in ARD und ZDF einen triumphalen Einzug gehalten hat. Dort wird alles andere getrieben als rein sachliche Berichterstattung. Jeder halbwegs aufmerksame Zuschauer kann erkennen, wie allein über Gesten und und Mimik manipuliert wird.“ Was Herr Bolz da anprangert, ist das „S l o m k a – S y n d r o m“. Frau Slomka hat vor Jahren sogar einen Journalistenpreis dafür erhalten: Sie untermalt und pusht mit ihren Gesichtszuckungen und dem Verdrehen ihrer Augen und ihren Arm- und Hand- und Schulterbewegungen ihre Meldungen, wobei die Zuckungen depressiv oder arrogant anmuten, wenn es um Politik oder Politiker geht. Inzwischen hat sich diese Körpergymnastik rasant verbreitet: Jeder Wetterberichtler, jeder Moderator, jeder Sportreporter versucht mit seiner Gymnastik jede bedeutungslose Information zu verkaufen. Die Springer-Presse ist davon ganz begeistert und schreibt: „Marietta Slomka: Keiner grillt männliche Politiker im Live-Interview so wie sie. Da wurde wieder einer „geslomkat“ heißt es schon unter Fans.“ Das stimmt und daran kann man erkennen, dass das Slomka-ZDF-Niveau nicht mehr zu unterbieten ist.

= Weniger Weihrauch ! Der Deutsche-Welle-Intendant Peter Limbourg hat sich für eine Reduzierung der über 500 Journalistenpreise ausgesprochen: „Damit dürfte unsere Zunft an der Spitze der Selbstreferenz und Selbstbeweihräucherung liegen. Die Berufsgruppe, die beständig zu den unbeliebtesten gehört, feiert sich ständig.“

= Zum Schluss für heute eine letzte Selbstbeweihräucherung: Die ARD produziert den Film „Brecht“ und beschreibt ihn wie folgt: „Wunderbar gespielt von einem hochkarätig und namhaft besetzten Ensemble. In einer einzigartigen Melange aus fiktionalen Drama-Elementen, historischem Film- und Bildmaterial aus unzähligen Archiven sowie zahlreichen Interviews, zeichnet Breloer Leben und Wirken des Ausnahmedenkers nach – Dokudrama par Excellence !“