Nur ein Vogelschiss

= Drei Tafeltexte aus „ÜBER LEBENS HUNGER“ (Zeugnisse aus sechs Konzentrationslagern in Bild und Wort):

  • „Als unser Kommando ausmarschierte, um Planierungsarbeiten durchzuführen, hat ein SS-Mann die Mütze meines Vaters weggeworfen und ihm befohlen, die Mütze zu holen. Dabei hat er meinen Vater erschossen. Ich war damals 17 Jahre alt und dachte, mein Leben hat keinen Wert mehr. Ich stürzte mich auf den Mörder meines Vaters, weil ich nicht mehr weiterleben wollte. Ich wurde von diesem niedergeschlagen. Er sagte nur: „Dich erschieße ich nicht, du krepierst ja sowieso.“ Dann musste ich meinen toten Vater auf dem Rücken ins Lager zurücktragen. Ich habe noch sein warmes Blut gespürt.“ (Imrich Gönczi, Kommando Hygieneinstitut, Auschwitz)
  • „Eine Frau schrie laut, sie war gerade während der Geburt. Ich zog das Kind aus der Frau und habe es in Kleidungsstücke eingewickelt und neben der Frau auf den Boden gelegt. Dann brachte ich ein Lebensmittelpaket zur Mutter. Baretzki kam mit dem Stock auf mich zu und schlug mich und die Frau. Er schrie mich an: „Warum spielst du noch mit dem Dreck !“ und trat nach dem Kind, das es fortfiel wie ein Fußball. Dann befahl er mir: „Bring die Scheiße hierher !“ Das Kind war tot. Als ich später wieder an die Stelle kam, war die Mutter auch tot.“ (Simon Gotland, Aufräumungskommando und Neue Wäscherei, Auschwitz)
  • „Am schlimmsten sahen die Kinder aus; vielleicht hatte man diesen Eindruck nur, weil einen Kinder in einer solchen Situation am meisten bewegten. Ich besuchte den Krankenbau und auch die Baracke, in der die Frauen lagen, die entbunden hatten. Die einzige Sorge, die die SS dort zeigte, war die, dass man den Neugeborenen sofort die Häftlingsnummer auf den Oberschenkel tätowierte. Der Unterarm eines Babys ist zu klein für eine Häftlingsnummer.“ (Hermann Langbein, Häftlingsschreiber des SS-Standortarztes Auschwitz)