Nur ein Vogelschiss

74 Jahre nach dem Ende der Naziherrschaft hat sich die deutsche Zahnärzteschaft dazu entschlossen, ihre braune Vergangenheit aufzuarbeiten. Auch Zahnärzte waren an der Ermordung Kranker, an tausendfachen Menschenversuchen, am massenhaften Raub des Zahngolds der Ermordeten beteiligt. Bis in die 1980er Jahre waren Parteigänger der Nazis in der Zahnärzteschaft in Amt und Würden. Im Berufsverband der freien Zahnärzte hatte noch 1987 eine früheres NSDAP-Mitglied den Vorsitz; sieben von neun Nachkriegsvorsitzenden trugen bis 1945 das Parteiabzeichen. Bei der deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde war es genau so. Ende 1938 waren 1400 Zahnärzte in der Waffen-SS tätig.

Im KZ Sachsenhausen ließ der leitende Zahnarzt Hans-Joachim Güssow sowjetische Kriegsgefangene gezielt töten, um deren vollständige Skelette einschließlich der Kiefer und Zähne an das „SS-Ahnenerbe“ (eine Forschungseinrichtung der SS) weiterzugeben.

Nach dem Krieg wurden Zahnärzte vor Gericht gestellt, einige wurden mit dem Tod bestraft. Die beschuldigten Zahnärzte verteidigten sich mit Befehlsnotstand und Gruppenzwang. Es sei alles rechtens gewesen, bis hin zur Zahngoldentnahme „rechtmäßig exekutierter Leichen“.