Nur ein Vogelschiss

= Kein Friedhof ist wie der andere. Es gibt Orte, da geben Menschen ihren Toten durch ihre Fürsorge eine Art von zweitem Leben. Ein anderes Mal sind die Gräber ein Spiegel unserer zerrissenen Welt. Wie antike Katakomben oder moderne Mahnmale, an denen wir eine Zeitlinie durchschreiten und den Schmerz der aus dem Leben Gerissenen spüren.

Für den Friedhof in Villeneuve dÀscq, einem nordfranzösischen Dorf vor den Toren von Lille, trifft das in aller Härte zu. Dort, wo der Boden durch das Blut hunderttausender Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg getränkt ist, verübte die SS-Division „Hitlerjugend“ in der Nacht vom 1. auf den 2. April 1944 eines der grausamsten Kriegsverbrechen auf französischem Boden. Nach der Explosion an Bahngleisen durch die Rèsistance, den französischen Widerstand, die niemanden verletzte, aber zwei Waggons entgleisen ließ, ließ SS-Obersturmführer Walter Hauck in der Nacht alle Männer des Dorfs zusammentreiben. 86 Menschen, die Jüngsten erst fünfzehn Jahre alt, wurden erschossen durch eine der brutalsten SS-Einheiten. Nachträgliche Untersuchungen erwiesen, dass keines der Opfer etwas mit dem Anschlag zu tun hatte. Unschuldige Zivilisten wurden bestialisch niedergemäht. „Verflucht sei das Kriegsvolk“, heißt es in dem Gedicht von Louis Aragon über das Massaker von Ascq. (C.i.G.)

= Marianna Adam, Häftlingspflegerin auf dem Krätzeblock Birkenau: „In diesem Zwischenarbeitslager bleiben wir etwa fünf bis sechs Wochen, dann wurde dieses Lager geräumt und wir wurden in Waggons verfrachtet, 130 bis 140 Personen in einem Waggon. Wir blieben drei Tage lang ohne Essen und Trinken und auch ohne Luft. Unser Zug wurde immer wieder verschoben. Einige wurden im Waggon wahnsinnig, andere starben, aber auch die Toten sind stehen geblieben, weil kein Platz war.“