Paul Ingendaay – Ein kompetenter und humorvoller deutscher Journalist

Ingenday schreibt in der FAZ einen Artikel über die Vereidigung des Kabinetts Scholz, dessen „Regierung ein neues Deutschland verkörpert“.

Einige Zitate aus diesem Artikel:

  • Man kann unsere legendäre deutsche Ernsthaftigkeit gut finden, ja vorbildlich nennen, aber es wäre ehrlich, zuzugeben, dass sie mit einem irritierenden Mangel an Formen und entschiedener Uneleganz einhergeht. Schon klar, Rituale und Pathos sind uns verdächtig, und die historischen Gründe dafür sind so überlebensgroß, dass kaum noch jemand die Frage stellt, ob sie auch nur halbwegs vernünftig sind.
  • Scholz führt seine Partei übrigens immer noch nicht, auch wenn er jetzt im Reichstag mit 395 Stimmen zum neuen Bundeskanzler gewählt wurde; er diszipliniert sie nur, vermutlich mit strategischer Druckpunktmassage. Und möglicherweise ruht das Vertrauen der Bevölkerung in Scholz, das deutlich größer ist als in seine Partei, auf einem Fundament seiner typisch deutschen Tugenden: Seriosität, Realitätssinn und Trockenheit bis zum Verbiesterten.
  • Am Tag, als Scholz zum Bundeskanzler gewählt und er und sein Kabinett vereidigt wurden, konnte man Erstaunliches erleben. Eine gewisse Freundlichkeit lag in der Luft, und am Ende wurde gegen die Abstandsregeln parteiübergreifend intensiv gedrückt, geherzt und umarmt. Der deutsche Parlamentarismus ist modellhaft in seiner stilbildenden Kraft, nichts Geringeres, und eine junge Generation von Abgeordneten verkörpert Werte wie Sachlichkeit und Kooperationsbereitschaft kaum weniger eindrucksvoll als die Älteren. Nicht nur die Amerikaner, auch viele Europäer beneiden uns darum. Das Zusammenrücken dreier demokratischer Parteien zu einem fast buddyhaften Arbeitsbündnis, das zu sensationell sachorientierten, diskreten und inhaltlich überzeugenden Koalitionsverhandlungen führte – wer hätte sich das zu träumen gewagt?
  • Gegen den gemeinsamen Gegner AfD haben die anderen Parteien begriffen, dass die demokratische Mitte breiter ist, als sie früher einmal dachten. Die Feierstunde des Parlaments ließ der selbststilisierte Außenseiter AfD deshalb missgelaunt über sich ergehen. Zum Erscheinen von Angela Merkel am Morgen dieses großen Tages vermerkte die Website des Deutschen Bundestages: „Die Abgeordneten mit Ausnahme der AfD-Fraktion erhoben sich von den Plätzen und dankten der noch geschäftsführenden Bundeskanzlerin mit lang anhaltendem Applaus.“ Die Störenfriede werden also struppig und ruppig bleiben wie bisher. Alle anderen dagegen machen eine gute Figur und mehren die Ehre des hohen Hauses, das jetzt eine neue Etappe vor sich hat.