= In Estland wurde immer viel gekämpft. Die Wikinger waren hier, der Deutsche Orden, die Russen und die Schweden. Das meiste, das in der estnischen Erde steckt, stammt aus dem 2. Weltkrieg: Waffen, Munition, Kochgeschirr, Panzer, ganze Flugzeuge. Und viele tote Soldaten. Allein in Estland sind mindestens 35.000 deutsche Soldaten und mehr als 100.000 Rotarmisten ums Leben gekommen. Tausende liegen immer noch in den Sümpfen und Wäldern unter der Erde.
= Den Krieg kannte der Este zunächst aus den Erzählungen seiner Großväter. Der eine, deutschstämmig, war Sanitäter bei der Wehrmacht, der andere Unteroffizier in der Sowjetarmee. Eine ganz normale estnische Familiengeschichte, typisch für ein Land, das zwischen zwei totalitären Staaten zerrieben worden war.
= Der Massenmord an sowjetischen Kriegsgefangenen im 2. Weltkrieg ist kaum bekannt. Jetzt soll endlich eine würdige Gedenkstätte in Stukenbrock entstehen. In der Phase schneller deutscher Siege zu Beginn des Krieges nahm die Wehrmacht mehrere Millionen Soldaten der Roten Armee gefangen und brachte sie in Dutzende sogenannte Stammlager wie z.B. Stalag 326 – ein leeres Feld, mit ein paar Bäumen, etwa 1000 Meter lang und 400 Meter breit, umzäumt mit Stacheldraht, bewacht von Türmen an jeder Ecke. Auf dem offenen Terrain wurden die Gefangenen behandelt wie Tiere; um sich vor Kälte und Hitze zu schützen, gruben sie Höhlen im sandigen Boden, bauten Unterschlüpfe aus Laub und Ästen, ernährten sich von Baumrinde und Regenwürmern; Krankheiten wie Ruhr und Fleckfieber breiteten sich aus. Mehr als drei Millionen überlebten die Zustände dort nicht. Sowjetische Kriegsgefangene sind nach den Juden die zweitgrößte Opfergruppe der Nazis. (Lesen Sie Christian Streits Buch „Keine Kameraden“)
= Zur deutschen Kriegsplanung gehörte auch die systematische Vertreibung von 14 Millionen Weißrussen, Ukrainern und Russen in Richtung Osten. Eintrag im Kriegstagebuch der 6. Deutschen Armee: „Das Chaos in Russland wird umso größer werden, je mehr die Bevölkerung der sowjetrussischen Städte nach dem Innern Russlands flüchtet. Die Städte sind daher vor ihrer Einnahme durch Artellerie-Feuer zu zermürben und ihre Bevölkerung zur Flucht zu veranlassen.“ Die Vertreibung der Deutschen aus den östlichen Provinzen am Ende des Krieges hat die unmittelbare Vorgeschichte mit den Deutschen als Tätern.
= Polen und Russland haben eine höchst unterschiedliche Sicht auf die Vorgeschichte des 2. Weltkriegs. Der russische Präsident Putin nahm dazu in einem Offenen Brief an die Polen Stellung: „Begann man nicht schon lange vor dem 1. September 1939 damit, die Grenzen Europas zu zerstören? Und gab es keine Annexion Österreichs, keine zerfetzte Tschechoslowakei, als sich nicht nur Deutschland, sondern auch Ungarn und im Grunde auch Polen, an der territorialen Umverteilung Europas beteiligten? Genau an dem Tag, an dem das Münchener Abkommen unterzeichnet wurde, stellte Polen sein Ultimatum an die Tschechoslowakei und schickte seine Armee gleichzeitig mit den deutschen Truppen in die Gebiete von Teschen und Freystadt. Und kann man vor den Versuchen der westlichen Demokratien, sich hinter den Kulissen von Hitler „freizukaufen“ und seine Aggressionen „auf den Osten umzulenken“, die Augen verschließen? Die ganze Erfahrung aus der Zeit zwischen den Kriegen – vom Versailler Frieden bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs – zeugt davon, dass es nicht möglich ist, ein effektives System für kollektive Sicherheit zu erschaffen, ohne dass sich alle Länder des Kontinents daran beteiligen, Russland inbegriffen. Die Gründung der Anti-Hitler-Koalition – das ist der Wendepunkt in der Geschichte des 20. Jahrhunderts.“
= Nach dem 1. Weltkrieg befreiten sich die Russen von der Feudalherrschaft und die Kommunisten übernahmen die Macht. Dieses über viele Jahrhunderte geschundene russische Volk musste seine Hoffnung auf ein besseres Leben ganz schnell begraben. Stalin und Konsorten errichteten ein Terrorregime, das bis in die 1970er Jahre herrschte und das Millionen Russen im Gulag oder in Gefängnissen ermordete. Beispiel: Zwischen 1935 und 1955 waren in den Straflagern der UdSSR schätzungsweise fünf Millionen Frauen inhaftiert. Darunter befanden sich junge Mädchen, Mütter und Hochbetagte aus allen sozialen Schichten und Nationalitäten der Sowjetunion sowie Europas. Die „Moskauer Hauptverwaltung Lager“ ließ die Frauen nach den gleichen Normen wie Männer teils schwere Zwangsarbeit leisten, versorgte sie mit den gleichen Hungerrationen und zerlumpter Bekleidung und sperrte sie in die gleichen engen, unhygienischen Unterkünfte. Das Überleben war ein täglicher Kampf, ein fortwährendes Ringen, um aus der Arbeit, der wenigen freien Zeit, aus der Erinnerung oder dem Gespräch mit Kameradinnen etwas Mut und Kraft zu schöpfen. Wie viele Frauen die Lager überlebten, ist nicht bekannt; wahrscheinlich kamen weit mehr als die Hälfte nicht mehr zurück. (Lesen Sie das Buch „Der Archipel Gulag“ von Alexander Solschnenizyn)
= Imre Nagy war von 1953 bis 1955 Ministerpräsident von Ungarn. Während der ungarischen Revolution 1956 kam er wieder in sein Amt und plante eine paramentarische Demokratie. Die Revolution scheiterte an den sowjetischen Panzern. Nagy wurde 1958 zum Tode verurteilt und hingerichtet. (s. folgendes Foto)
Ilona Tóth war Ärztin in einem Budapester Krankenhaus und Mitglied einer revolutionären Gruppe. Sie wurde mit 24 Jahren hingerichtet. (s.folgendes Foto ihres Grabsteins).