Todesstrafe nach Belieben im USA-Partnerland Saudi-Arabien

„Vor einem Jahr schien die saudische Scharia-Justiz einen Weg der Besserung einzuschlagen. Gemäß einem königlichen Erlass sollten Verbrecher, die zum Zeitpunkt ihrer Tat noch nicht 18 Jahre alt waren, nicht mehr zum Tode verurteilt werden. Auch sollten bereits gefällte Urteile in einen Freiheitsentzug von maximal zehn Jahren umgewandelt werden. Eine Kommission des obersten Gerichts kündigte zudem im April 2020 die Aussetzung der Prügelstrafe an. Es handele sich um eine Weiterführung der von König Salman und Kronprinz Mohammed bin Salman begonnenen Menschenrechtsreformen, hiess es.

Der Fall von Mustafa Darwish zeigt indes, dass minderjährige Straftäter nicht in jedem Fall der Todesstrafe entkommen. Er gehörte der schiitischen Minderheit an der Ostküste an und soll dort 2011 und 2012 an Demonstrationen teilgenommen haben. Die saudische Staatsreligion des Wahhabismus, eine fundamentalistische Auslegung des sunnitischen Islams, anerkennt die Schiiten nicht als Glaubensbrüder. In der Folge des arabischen Frühlings kam es unter den Schiiten daher wiederholt zu regimekritischen Protesten.

Laut seiner Familie wurde Darwish 2015, also mehrere Jahre nach den Protesten, mit zwei Freunden auf der Straße festgenommen. Die Polizisten ließen ihn zunächst gehen, behielten aber sein Mobiltelefon, auf dem sie später ein belastendes Foto fanden. Nach der erneuten Festnahme wurde Darwish unter Folter zu einem Geständnis gezwungen, das er später vor Gericht widerrief, wie die britische Menschenrechtsorganisation Reprieve schreibt, die sich dem Kampf gegen die Todesstrafe verschrieben hat.

Vor drei Jahren verurteilte ein saudisches Sondergericht Darwish zum Tode. Es warf ihm unter anderem die Teilnahme an einer „bewaffneten Rebellion“ und an über zehn „Krawallen“ vor. Während vieler dieser Handlungen soll Darwish allerdings erst 17 Jahre alt gewesen sein. Menschenrechtsorganisationen forderten deshalb, den Fall des Jugendlichen unter Berücksichtigung des königlichen Erlasses vom Vorjahr neu zu beurteilen. Zudem drängten sie den britischen Aussenminister Dominic Raab dazu, den Fall bei seinem Besuch in Riad anzusprechen. Raab soll die saudischen Menschenrechtsprobleme gegenüber seinen Gastgebern allerdings nur in allgemeiner Form angesprochen haben.

Am Dienstag nun wurde Darwish hingerichtet – gerade als der britische Handelsminister zu Besuch war. Die Eltern des jugendlichen Todeskandidaten sollen von der Hinrichtung ihres Sohnes erst über Internetmedien erfahren haben, berichtet Reprieve.

Amnesty International hat darauf hingewiesen, dass Straftaten, die unter das Anti-Terror-Gesetz fallen, vom königlichen Erlass zur Todesstrafe für Minderjährige ausgenommen sind. Somit ist weiterhin nicht ausgeschlossen, dass saudische Richter dem Leben rebellischer Teenager auch künftig ein vorzeitiges Ende setzen werden.“ (NZZ)