„Transatlantisch ist gut, autark ist besser“

Unter dieser Überschrift schreibt Josef Braml in der NZZ: „Es gibt in letzter Zeit und vor allem seit Putins Attacke auf die Ukraine verstärkt Stimmen, die transatlantische Partnerschaft zu stärken. Wenn damit gemeint ist, intensive Beziehungen zu Washington zu pflegen und sich um einen verstärkten Austausch zu bemühen, so ist daran auch gar nichts falsch. Die USA waren und sind für Europa ein wichtiger Partner. Der Glaube allerdings, dass Washington in Zukunft in derselben Weise wie früher dessen Sicherheit garantieren und unsere Interessen mit vertreten wird, ist eine Illusion. Es ist die transatlantische Illusion. Und an wen würde sich Europa eigentlich binden? Am Vorabend der russischen Invasion konnten wohl zwei von drei Amerikanern die Ukraine auf einer Landkarte nicht finden. Die US-Bevölkerung befürwortet mehrheitlich, dass die USA sich aus Verhandlungen über die Ukraine heraushalten sollten. Die Republikanische Partei, die einst den Kampf gegen den „gottlosen Kommunismus“ führte, beugt sich jetzt einem Führer, der Putin ein „Genie“ nennt.

Im innenpolitischen Kampf müssen auch die Demokraten die amerikanischen Interessen über die der Verbündeten stellen – „America first“. Wem die liberale, sprich regelbasierte Weltordnung am Herzen liegt, sollte nicht auf Washington oder den Weltgeist hoffen, sondern sein Schicksal selbst in die Hand nehmen. Es ist das Gebot der Stunde, neben der militärischen Ertüchtigung auch Europas politische Einheit und damit auch den Wirtschafts- und Währungsraum im globalen geoökonomischen Wettbewerb zu stärken. Weil China als militärischer Rivale zu den USA aufgestiegen ist und die USA sich verstärkt nach Asien orientieren, sollte Europa darauf hinarbeiten, sich selbst verteidigen zu können.

Indem die Europäer eigene, von den USA unabhängige militärische Fähigkeiten entwickeln – im konventionellen wie im nuklearen Bereich – können sie Erpressungsversuchen der russischen Führung vorbeugen. Aber auch gegen die Launen einer möglichen zweiten Trump-Präsidentschaft wären sie gewappnet.

Der Eigensinn der um Weltmacht konkurrierenden russischen, amerikanischen und chinesischen Geostrategen nötigt Europas Einzelstaaten und seine Bürger zu mehr Gemeinsinn.“