Warum ich Antikommunist wurde.

Ich bin Jahrgang 1941 und in Bonn/Beuel aufgewachsen. Mein Vater hatte 1933 sein Studium abgebrochen, um bei den Nazis als Bannführer der Hitlerjugend anzuheuern; er blieb auch nach dem Krieg und bis ans Lebensende ein Nazi und versuchte natürlich, seine Kinder politisch in diese Richtung zu manipulieren – mit Gewalt, mit Druck, mit Lügengeschichten usw. Ich hatte das Glück, in der Volksschule auf eine wunderbare Lehrerin (Frau Rosenthal) zu treffen, die uns über vier Jahre leidlich Lesen, Schreiben und Rechnen beibrachte, die uns aber vor allem auf einfühlsame Weise politische und soziale Themen näher bachte. Damals gab es für uns kein Kino, kein Fernsehen und schon gar kein Smart Phone und außer Fußball kein Vergnügen. Sobald wir lesen konnten, wurden wir von unserer Lehrerin mit Romanen versorgt, die uns z.B. das harte Leben der englischen Bergarbeiter erzählten. Ich habe jahrelang und nächtelang und heimlich hunderte Bücher verschlungen und dabei (unbewusst) viel politisches und historisches Wissen aufgesogen. (Nach vier Jahren Volksschule musste ich leider auf das Gymnasium wechseln, wo ich mit einer Ausnahme nur ehemalige und brutale Nazis als Lehrer hatte).

Nach Frau Rosenthal hatte ich wieder Glück, weil ich mit fünfzehn Jahren durch einen Zufall bei den Jusos landete; ein Freund hatte mich mit dem Hinweis motiviert, dort würden wir kostenlos mit Bier und Zigaretten versorgt. Diesmal hieß mein Glücksfall Rudi Maerker, der Vorsitzender der Jusos in Beuel war. Dieser Rudi hat uns nicht indoktriniert oder gar manipuliert, sondern er hat uns mit zahllosen Diskussionen und mit Literatur und mit Begegnungen interessanter Leute zu richtig guten Sozialdemokraten gemacht. Richtig gut war hier vor allem:

  • Sozialdemokraten sind Demokraten und bejahen den Rechtsstaat und die parlamentarische Demokratie.
  • Sozialdemokraten sind sozial und kämpfen für soziale Gerechtigkeit in einem gezähmten Kapitalismus und für Chancengerechtigkeit.
  • Sozialdemokraten sind radikal g e g e n jeden wie auch immer gearteten Faschismus und Kommunismus.

Rudi Maerker hatte den sowjetischen Kommunismus am eigenen Leib erfahren, weil er – wie zahlreiche andere Sozialdemokraten – vor den Nazis in die Sowjetunion geflohen war und nur mit Glück überlebte; mehrere seiner Kameraden sind im Lager krepiert, einer starb nach einer Folterung. (Die Kommunisten hassten die Sozialdemokraten als „linke Konkurrenz“ und bekämpften die SPD in der Weimarer Republik mehr als die NSDAP)

Über die Verbrechen der Nazis muss ich hier nicht reden, weil jeder anständige und vernünftige Mensch weiß, was die angerichtet haben.

Aber die Verbrechen der Kommunisten, die in der Sowjetunion, in China, in Kambodscha und in anderern Ländern eine hohe zweistellige Millionenzahl an Menschen bestialisch ermordet haben, sind immer noch zu wenig bekannt. Hunderttausende wurden grundlos erschossen ! Hunderttausende wurden gefoltert ! Im sowjetischen Gulag und in Maos China krepierten Millionen durch Hunger und Krankheiten.

Ich war fassungslos und wütend, als in den sechziger Jahren der linke Radikalismus mit der Studentenbewegung und mit Teilen der Medien und mit den Intellektuellen alà Sartre den Kampf gegen den Kapitalismus und gegen den Faschismus organisierte und die kommunistischen Verbrechen entweder verschwiegen oder nach dem Motto „Wo gehobelt wird, fallen Späne“ schön geredet wurden.

Wer die ganze Brutalität und Unmenschlichkeit der Kommunisten erfahren will, muss nur drei Bücher lesen, von denen ich hier eines empfehle:

„Das Jahrhundert der Wölfe“ von Nadeschda Mandelstam (S.Fischer). Nadeschda Mandelstam war die Frau des russischen Dichters Ossip Mandelstam, der im Gulag krepierte. Einige Zitate aus dem Buch:

= „Verbannung und Ausweisung waren bei uns zu normalen Erscheinungen geworden. In den ruhigeren Jahren, als alle etwas aufatmen konnten, als der Terror uns nicht umbrandete, erfolgten im Frühjahr – für gewöhnlich im Mai – und im Herbst vor allem unter der Intelligenzija verhältnismäßig viele Verhaftungen. Dadurch wurde die Aufmerksamkeit von den wirtschaftlichen Mißerfolgen abgelenkt. Ein spurloses Verschwinden gab es zu dieser Zeit aber kaum: die Leute schrieben aus der Verbannung, saßen ihre Zeit ab, kehrten zurück und wurden wieder verbannt.“

= „Die Organe des Strafvollzugs handelten genau, umsichtig und sicher. Sie hatten gleichzeitig mehrere Ziele im Auge: Zeugen, die sich gegebenenfalls an etwas erinnern konnten, mußten sie beseitigen, außerdem sollten sie eine Übereinstimmung der Meinungen erreichen, den Anbruch des Tausendjährigen Reiches vorbereiten usw. Die Menschen würden schichtweise, den Kategorien entsprechend, entfernt. Die Kategorien waren: die Angehörigen einer Kirche, die Mystiker, Gelehrte, Idealisten, besonders Schlagfertige, Ungehorsame, denkende Menschen, Schwätzer, Verschwiegene, Streitsüchtige, Leute, die Überlegungen über das Recht, den Staat oder die Wirtschaft anstellten, ja, auch Ingenieure, Techniker und Agronomen, denn es tauchte jetzt der Begriff der „Schädlinge“ auf, denen alle Mißerfolge und Fehlkalkulationen zugeschoben wurden. „TragenSie keinen solchen Hut“, sagte O.M. zu Boris Kusin. „Man darf sich durch nichts unterscheiden – das geht schlecht aus.“

= „Auch die Absage war höflich. „Wir wollen Sie ja schließlich nicht verhaften“ – aber der allgemeine Ton (dieser ganze Pomp mit den bewaffneten Leibwächtern, die Heimlichkeit und die Einschüchterung: „er wird ein neues Verbrechen begehen“) hatte sich verändert. Die Kräfte der alten Generation ermatteten. So reifte eine Zukunft heran, die in keiner Weise dem Terror der ersten Revolutionstage glich. Es wurde sogar eine neue Sprache – eine Staatssprache – geboren. So schrecklich auch der Terror der ersten Tage gewesen war, man konnte ihn doch nicht mit der planmäßigen Massenvernichtung vergleichen, der die Bürger des mächtigen Staates „neuen Typs“ nach den Gesetzen, Instruktionen, Verfügungen und Erklärungen ausgesetzt waren, die einfach „von oben“ erlassen wurden.“

= „Anfang der dreißiger Jahre wollte sich Bucharin an Gorkij wenden, um ihn über Mandelstams Situation zu informieren; vergebens versuchte O.M. ihn von der Nutzlosigkeit dieses Versuchs zu überzeugen; wir erzählten ihm sogar die Geschichte mit den Hosen: Als O.M. aus der von Wrangel besetzten Krim über Georgien zurückkehrte, wurde er zweimal verhaftet und kam mehr tot als lebendig, ohne warme Kleidung in Leningrad an. Damals konnte man keine Kleider kaufen, sie wurden nur gegen Berechtigungsschein ausgegeben. Die Berechtigungsscheine für die Kleidung der Schriftsteller mußten von Gorkij befürwortet werden. Als man ihm die Bitte vortrug, Mandelstam eine Hose und einen Sweater zuzuteilen, strich Gorkij die Hose aus und sagte: „Er muß ohne sie auskommen.“ Das zeugte von Gorkijs feindlicher Haltung gegenüber einer ihm fremden Literaturströmung.“