In der Corona-Krise zeigt sich mal wieder, dass die Demokratie ein fragiles Gut ist. Ganze 22 Prozent der Ostdeutschen und nur 40 Prozent der Westdeutschen sind mit unserer Demokratie zufrieden. Die Politikverächter kommen aus allen Schichten und werden von Medien aufgehetzt. Warum kommen diese Leute nicht auf die Idee, dass die Demokratie nicht nur eine Angelegenheit der Politiker, sondern auch der Bürger ist? Warum verbessern die unzufriedenen 78 Prozent im Osten und 60 Prozent im Westen unsere Demokratie nicht – z.B. indem sie den politischen Parteien beitreten?
„Vierzig Jahre unter den Menschen haben mich ständig gelehrt, dass sie der Vernunft nicht zugänglich sind. Zeige ihnen einen roten Kometenschweif, jage ihnen dumpfe Ängste ein, und sie werden aus ihren Häusern laufen und sich die Beine brechen.“ (B. Brecht)
Die Aufgabe des Kometenschweifs haben zahlreiche Medien übernommen (nicht nur die Boulevard-Medien). Zwei Beispiele:
- Riesenschlagzeile in der Süddeutschen Zeitung: „Jahre ohne Sommer – verglühte Landstriche, Dunkelheit, ein Einbruch bei der Nahrungsmittelproduktion und eine abstürzende Weltwirtschaft: Der Ausbruch eines Supervulkans könnte die Menschheit auch heute noch in einen Zustand vor der Zivilisation zurückversetzen.“
- Eine von Amerika ausgehende Verschwörungstheorie besagt, dass Politiker das Blut von Kindern trinken. Inzwischen ist die Theorie auch in Deutschland angekommen.
Die Politik wird zur Zielscheibe, weil Millionen Menschen nicht wissen, wohin mit ihrem alltäglichen Lebensfrust, ihren diffusen Ängsten und Verschwörungstheorien.
Der Populismus blüht und die Hemmschwelle sinkt. Antisemitismus, Fremden- und Islamfeindlichkeit erstarken. Im Netz toben die Shitstorms und der Hass verschlägt einem die Sprache. „Bei immer mehr Menschen ist das stärkste soziale Gefühl tiefe Abscheu.“ (Amos Oz)
Ich werde wütend, wenn Medien auf der Primitiv-Ebene gegen Poltik hetzen. Die ARD bringt eine „Doku“, die wie folgt angekündigt wird: „Im Land der Lügen. Wie uns Politik und Wirtschaft mit Zahlen manipulieren“. Mit der Schlagzeile „Einwanderung: Die Flüchtlingskrise kostet den deutschen Steuerzahler fast eine Billion Euro“ hetzt eine Zeitschrift aus dem Burda-Verlag gegen die Politik, belügt ihre Leser und treibt der AfD Wähler zu.
Journalisten bezeichnen Politiker als Lügner, Schnäppchenjäger, Führungsversager und Lachnummern und beschreiben Politik als ein Pokerspiel.
Auch der Schauspieler Moritz Bleibtreu stellt seine Dummheit unter Beweis: „Wer sich auf das Spiel Politik einlässt, muss darauf gefasst sein, dass es auf den Arsch gibt. Die meisten Politiker würden gut daran tun, sich selbst um Verzeihung zu bitten.“
Der folgende FAZ-Leserbrief von Herrn Gunter Knauer aus Meerbusch sagt eigentlich alles: „Unsere Politik ist nämlich zum Verzweifeln. Besonders die Bundeskanzlerin hat aus unserem Staat ein Gemisch aus allen möglichen Staaten gemacht. Kein europäischer Staat würde sich das gefallen lassen. Die Kriminalität von Eingewanderten wird jeden Tag gefährlicher. Kein (!!) Einheimischer fühlt sich mehr wohl in eigenen Land. Und die Medien helfen dabei.“
Selbst der Star-Journalist Hanfeld spricht in der FAZ von „Europudding und von EU-Postengeschacher.“ Kapieren diese Typen nicht, dass Politiker in einer Demokratie für die beste Lösung streiten (schachern) müssen: Das ist ihre Aufgabe. Dafür sind sie gewählt! Und in der aus vielen Ländern bestehenden EU ist das besonders schwierig. Das ist das Wesen einer Demokratie !!
Frau Chefvolkswirtin Gertrud Traud von der Helaba äußert sich im Handelsblatt mit dem typischen Klugscheißer-Satz: „Nicht das Virus selbst bedroht die deutsche Wirtschaft, sondern die Einschränkungen durch die Politik.“ Und Herr Thomas Tuma (Stellvertretender Chefredakteur des Handelsblatts) plädiert für die umstrittene „Herdenimmunität“ und hetzt auf Primitiv-Niveau in einem ganzseitigen Artikel mit der Schlagzeile „Wahnsinn Lockdown“:
„Der Bundesregierung ist das offenbar egal. Sie will die Zügel wieder anziehen, wie es zuletzt oft hieß. Als seien wir störrische Pferde. In der Beschlussvorlage der Kanzlerin zu ihrem jüngsten Gipfel mit den Ministerpräsidenten heißt es u.a. streng: „Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen, werden untersagt.“ Wir sind aber keine Höhlenbewohner mehr, sondern Menschen. Trotzdem werden nun wieder Freiheiten eingeschränkt, auch Grundrechte. Und es wird billigend in Kauf genommen, dass nun endgültig Teile der Wirtschaft irreparabel geschädigt werden. Diese Krise hat Verantwortliche. Das Virus ist leider nur einer davon.“
Auch ich habe einen Traum: Mit einer Änderung des Grundgesetzes werden alle volljährigen Bürger unseres Landes zu folgenden Aktivitäten verpflichtet:
- Jeder muss einen Kurs „Politische Bildung“ absolvieren und eine Abschlussprüfung bestehen.
- Jeder muss einer der demokratisch legitimierten Parteien beitreten und dort mindestens drei Jahre lang jede Parteiversammlung aufsuchen; danach kann er aus der Partei austreten oder die Partei wechseln. Wer sich weigert, verliert das Wahlrecht.
- Jeder erklärt sich grundsätzlich bereit, für ein Parteiamt und/oder für ein politisches Amt (Stadtrat, Land- oder Bundestagsabgeordneter, Kreistagsabgeordneter) zur Verfügung zu stehen.
- Alle Bürger werden per Gesetz verpflichtet, an allen Wahlen teilzunehmen; Stimmenthaltung ist möglich.
- Eine Ausweitung der Bürgerrechte über Volksabstimmungen wird abgelehnt.