Zur aktuellen Lage

= Wenn ich spazieren gehe habe ich größte Mühe, zu den mir entgegen kommenden Menschen Abstand zu halten; die vorgeschriebenen 1,50 Meter Mindestabstand werden so gut wie nie eingehalten. Wenn ich mit Gesten oder höflichen Worten auf Abstand hinweise, werde ich entweder blöd angegafft oder laut angemotzt oder man reagiert nicht. Weil ich nicht mit einer Maske spazieren gehen will, versuche ich auszuweichen, was bei schmalen Wegen schwierig ist; ich müsste auf die Bäume klettern oder mich ins Gebüsch schmeißen. Bin ich zu ängstlich? Sind die Risiken zu vernachlässigen ?

= In Italien gibt es kompetente und seriöse Politiker – wie z.B. Ministerpräsident Conte – , die sehr gut wissen, dass ihr Land mit finanzieller Hilfe der EU tiefgreifende Reformen umsetzen muss, wenn es eine gute Zukunft haben will und wenn es Mitglied der EU bleiben und den Euro behalten will. Diese Reformen harren seit vielen Jahren der Umsetzung: Steuerrecht (konfuse Mehrwertsteuerregeleung, Steuerhinterziehung mit jährlichen Verlusten für den Staat von ca. 150 Milliarden Euro u.a.m.) und komplette Renovierung der Regelungen für Renten, Pensionen, Bürgergeld und Entbürokratisierung aller politischen Instanzen sowie der freien Marktwirtschaft, deren Produktivität seit 20 Jahren stagniert. (Die Schattenwirtschaft machte 2017 sage und schreibe 12 Prozent des Bruttosozialprodukts aus.)

Zu investieren ist in die unterfinanzierte Hochschulbildung und in die Erwachsenenbildung und in die Digitalisierung; die Dauer von Prozessen im Justizsystem muss verkürzt und das marode Bankensystem saniert werden u.a.m.

All diese Probleme sind unstrittig. Das Problem ist, dass seit dem – auch durch Korruption beförderten – Niedergang der Christdemokraten und Sozialisten und dem damit einhergehenden Erfolg der Berlusconis und Salvinis im Parlament keine Mehrheiten für diese unaufschiebbaren Reformen zustandekommen.

Conte und seine Kollegen stecken in einer Sackgasse.

= Kluge Worte von Angela Merkel: „Kein Land kann die Corona-Krise isoliert und allein bestehen. Die Pandemie hat offengelegt, wie fragil das europäische Projekt noch ist. Erste Reaktionen auch in Deutschland sind eher national und nicht durchgehend europäisch gewesen. Das war unvernünftig.“

= Manchmal darf man auch stolz auf sein Land sein: Deutschland schickt im Zuge der Corona-Pandemie gezielt Ärzte und Labormaterial in Länder, die Hilfe bei der Bekämpfung des Virus brauchen. Laut Entwicklungshilfeminister Müller fragen z.Zt. zehn Länder nach akuter Hilfe – darunter Togo und Peru. Die nächsten Einsätze der SEEG („Schnell einsetzbare Expertengruppe Gesundheit“) mit Ärzten und Labormaterial sind in einer Woche geplant.

= Warum sind viele deutsche Politiker gegen den von Mister Trump angekündigten Abzug amerikanischer Soldaten ? Wie perfide die US-Politik ist, kann man daran erkennen, dass in dieser Woche eine kostenlose Waffenlieferung durch die USA an die Ukraine beschlossen wurde. Natürlich ohne Absprache mit der EU.

= Ein afroamerikanischer Wissenschaftler spricht in der Rassismus-Debatte vom Selbst-Mitleid seiner Landsleute, die sich im ewigen Opferdasein einrichten. Die Empörung über die Tötung von Pink Floyd dürfte nicht die kritische Selbstreflexion der afroamerikanischen „Community“ über die sozialen, kulturellen und strukturellen Probleme der prekären Milieus verhindern. „Es geht um Bildung, um Bewusstseinsbildung und (Selbst-)Aufklärung. Es bedarf eines Kampfes gegen den verinnerlichten Unterdrücker, gegen die Bequemlichkeit, Opfer zu sein und andere dafür anzuklagen. Jede Befreiung beginnt mit Selbstbefreiung. Das ist das wirksamste Mittel gegen Rassismus.“

Selbstbefreiung ? Wie soll das einem Menschen möglich sein, der in einem der Riesen-Slums in den USA geboren wird und der vom ersten Lebenstag an verbale und körperliche Gewalt in der eigenen Familie und dann auf der Straße erlebt und der früh mit Drogen in Berührung kommt und der bis zur Pubertät keine einzige positive Anregung im Sportverein oder in der Kirche oder in der Schule erfährt und der sich Anerkennung nur mit erfolgreichen krminellen Aktionen verdienen kann. Dieser Mensch hat keine Chance auf eine „Selbstbefreiung“ !! Und das ist der eigentliche Kern dieser Rassismus-Debatte: Wie schafft man mehr Chancengerechtigkeit ? Es macht überhaupt keinen Sinn, Denkmäler von Generälen abzureißen und auch die geplante und sinnvolle Polizeireform wird dieses Problem, unter dem übrigens auch Millionen weiße Amerikaner leiden, nicht lösen.

Selbst die mehr Gerechtigkeit und soziale Fürsorge schaffende Soziale Marktwirtschaft in Deutschland hat das Problem der Chancengerechtigkeit noch nicht gelöst. Im Turbokapitalismus der in allen Klassen vor Waffen starrenden USA scheint mir das völlig unmöglich.