Zur aktuellen Lage

Das Manager-Magazin liegt beim Wettkampf um Deutschlands inkompetenteste Wirtschaftszeitschrift immer weit vorne. Vor einigen Jahren hatte der Chef des deutschen Linde-Konzerns – Wolfgang Reitzle – die geniale Idee, den amerikanischen Wettbewerber Praxair zu übernehmen. Das Manager-Magazin schrieb damals, diese Fusion würde vor allem einem nutzen: Reitzle selbst.

Inzwischen ist Linde der weltgrößte Industriegase-Hersteller und hat im vergangenen Jahr trotz Corona gute Ergebnisse erwirtschaftet. Für die nächsten Jahre ist weiteres kräftiges Wachstum angekündigt.

= Wolfgang Reitzle (Linde) ist überzeugt, dass „Deutschland riesiges wirtschaftliches Potenzial hat“, wenn es zu einem parteiübergreifenden Konsens käme. Reitzle schlägt vor:

  • Mehr Wirtschaftskompetenz in der Bevölkerung – u.a. mit der Einführung des Pflichtfachs „Wirtschaft“ an den Schulen.
  • Abbau der Staatsbürokratie und weitgehende Digitalisierung der Öffentlichen Verwaltung.
  • Staatsquote unter 50 Prozent senken.
  • Ein verbindlicher Zehnjahresplan für Investitionen in eine zukunftsfähige Infrastruktur.
  • Die amerikanischen Internetgiganten sind kaum noch einzuholen; deshalb müssen wir beim „Internet of Things“ die Führung übernehmen.
  • Wenn die Wirtschaft schnell wieder in Schwung kommen soll, müssen die Unternehmen steuerlich entlastet werden.
  • Mit dem Potenzial der Bundeswehr Kompetenzzentren für die Entwicklung von Cyber- und Drohnentechnologie aufbauen.
  • Eine neue ideologiefreie Energie- und Mobilitätspolitik.

= In Italien findet ein fruchtbarer politischer Wandel statt. Nach dem genialen Schachzug, Mario Draghi als Ministerpräsidenten zu installieren, hat jetzt die Sozialdemokratische Partei nach jahrelangen Streitereien den früheren Vorsitzenden Enrico Letta wieder zum Vorsitzenden gewählt. Letta sagt: „Wenn der Wind des Wandels braust, dann ziehen manche Mauern hoch. Andere blicken nach vorn und errichten Windmühlen.“ Letta will seine Partei aussöhnen und neu erfinden und überfällige Reformen angehen: Die aberwitzige Bürokratie – das dahinsiechende Justizwesen – das innovationsfeindliche Steuersystem – die systematische Benachteiligung von Frauen in der Beschäftigungsstruktur u.v.a.m. Als Hauptgegner hat Letta die rechtsnationale Lega benannt.

= Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder ist überzeugt, dass der Westen seine führende Position durch Dummheit und Unfähigkeit verspielt und dass China und Russland ihre Chancen mehren. Schröder glaubt nicht mehr an den Zusammenhalt der transatlantischen Wertegemeinschaft und fordert von Europa, sich von der amerikanische Vormundschaft zu emanzipieren und mit einer echten europäischen Armee selbst für seine Verteidigung zu sorgen – einschließlich klarer Abmachungen mit Russland. Man darf vermuten, dass Präsident Macron und Bundeskanzlerin Merkel Schröders Meinung teilen, aber aus taktischen Gründen noch nicht darüber sprechen wollen.

= Noch vor fünf Jahren haben Ökonomen und Politiker behauptet, dass China bis zum Jahr 2050 braucht, um die USA als Wirtschaftsmacht Nummer Eins zu überholen. Jetzt wurde diese Prognose revidiert und auf das Jahr 2025 vorverlegt.

= Die unbedingt notwendige Verlängerung eines kurzen strengen Lockdowns hat auch ein parteipolitisches Motiv: Nur wenn bis Ende Juni 60 Prozent der Deutschen geimpft sind, kann das gesamte öffentliche Leben wieder auf Vor-Corona-Kurs schalten. Nur dann wird die Wirtschaft komplett Gas geben und die Deutschen können in alle Welt fliegen und ihre Urlaube nachholen und die CDU/CSU hat noch Zeit, sich mit neuen Gesichtern für den Wahlkampf zu profilieren. Laschet macht in Düsseldorf einen guten Job; er ist kompetent und zuverlässig – aber er ist wie Merkel kein Hollywood-Star. Söder hat außerhalb Bayerns weniger Zustimmung. Wer keine grünen Kanzler/in will, muss hoffen, dass die Schwarzen noch etwas aus dem Hut zaubern.

= Der Wahnsinn nimmt zu: In einer Liegenschaft der Freien Universität Berlin wurden verscharrte sterbliche Überreste von Naziopfern gefunden; jetzt soll ein Forschungsprojekt dieses düstere Kapitel aufarbeiten. Auf der Homepage dieses „Projekts Ihnestraße 22“ ist zu lesen: „In der Ihnestr 22 forschten Wissenschaftler_innen schließlich auch an den Körpern von Personen, die in nationalsozialistischen Vernichtungslagern und Heilanstalten ermordet wurden. Insbesondere Sinti_zze und Rom_nja, J_üdinnen, schwarze Personen und Menschen mit Behinderung fielen den Arbeiten des KWI-A zum Opfer.“ Ja! Dort steht tatsächlich J_üdinnen. Wozu soll diese geschlechtergerechte Sprache dienen? Gerechtigkeit?

Es darf nie zur Normalität werden, dass Menschen, nachdem sie als Opfer des grauenvollsten Verbrechens der Geschichte geschändet worden sind, ohne ihr Wissen und Wollen abermals zum Teil einer Ideologie gemacht werden. Die in der Ihnestrasse 22 verscharrten Opfer mörderischer Rassisten haben eine würdige Bestattung und ein angemessenes Gedenken verdient. Wer diese Opfer aber instrumentalisiert, um sich selbst als Zelebrator*in der Gerechtigkeit zu präsentieren, schändet sie ein weiteres Mal. (Julien Reitzenstein NZZ)