Zur politischen Lage

= Ich hatte den von mir geschätzten Ralf Fücks aus den Augen verloren; jetzt lese ich ein sehr interessantes Interview in der NZZ. (Fücks war 20 Jahre lang Vorsitzender der Heinrich-Böll-Stiftung und ist heute geschäftsführender Gesellschafter der Denkfabrik „Liberale Moderne“). Einige Aussagen von Fücks in diesem Interview:

  • „Die Bundesrepublik ist eine liberale Demokratie, aber die gesellschaftliche Mentalität ist eher sozialdemokratisch. Sicherheit und Gleichheit haben für die meisten Deutschen einen höheren Wert als Freiheit. Auch mit der Westbindung hadern viele. Das merken Sie an der Distanz gegenüber der Nato und am subkutanen Wunsch nach Neutralität. Gegen Putin gibt es weniger Aversionen als gegen Trump. Auch mit dem Kapitalismus hadern viele.“
  • „Seit den sechziger Jahren hat es in Deutschland einen großen Schub für Bürgerrechte und Gleichberechtigung gegeben. Diese Seite des Liberalismus ist bis heute stark ausgeprägt.“
  • „Russland hat sich nach einem kurzen Ausflug in Richtung Demokratie leider zurückentwickelt. Putin geht in Richtung Diktatur. Politik, Justiz und Medien sind gleichgeschaltet.“
  • „In den USA schwindet der Glaube an das zentrale Versprechen des Landes: dass jeder durch Bildung und Fleiss aufsteigen kann. Die klassische Arbeiterschicht sieht sich deklassiert: als Weisse wegen des wachsenden Selbstbewusstseins von Latinos, schwarzen Amerikanern und Asiaten und als Männer infolge der Emanzipationsansprüche der Frauen und als Arbeiter wegen des Niedergangs der traditionellen Industrien.“
  • „Ich habe den altmodischen Begriff der Sozialpartnerschaft in den letzten Jahren neu schätzen gelernt. Schauen Sie, wie in Deutschland die Finanzkrise bewältigt wurde, ebenso wie die Flüchtlingskrise 2015 und 2016. Dahinter stecken große Kraftanstrengungen der Verwaltung, der Unternehmen, der Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft.“
  • „Ich bin überzeugt, dass sich die große Mehrheit dieser Menschen (Flüchtlinge) integrieren will. Die sind nicht gekommen, um kriminellen Geschäften nachzugehen oder von Sozialhilfe und Schwarzarbeit zu leben.“

= Auch der Chef der weltgrößten Chemiefirma BASF, Martin Brudermüller, gab der NZZ ein langes Interview; einige Zitate:

  • „Wir Europäer sollten uns verbitten, dass die Amerikaner über ein solches Objekt (Erdgas-Pipeline Nordstream 2) entscheiden. Dank Nordstream 2 wird das Angebot an wettbewerbsfähiger Energie größer. Es ist in Ordnung, wenn die Amerikaner mehr Flüssiggas verkaufen wollen. Bei der Verflüssigung und der anschliessenden Rückführung von Flüssiggas in den gasförmigen Zustand entsteht jedoch zusätzliches CO2. Zudem ist Flüssiggas teurer als Erdgas aus Russland.“
  • „Wir arbeiten mit Gazprom seit Jahrzehnten vertrauensvoll zusammen. Wenn es in Europa kalt wird und man rasch viel Erdgas braucht, sind es die Russen, die das Ventil aufdrehen. Es muss unser Ziel sein, Russland in die Staatengemeinschaft zurückzuholen.“
  • „Wir leiten unsere Entscheidungen aus wissenschaftlichen Erkenntnissen ab. Wenn aber Fake News und Emotionen dominieren, verlieren wir als Gesellschaft die nötigen Grundlagen, um richtige Entscheidungen zu treffen. Das müssen wir dringend ändern.“
  • „Im Moment sind alle fest damit beschäftigt zu zeigen, wie unterschiedlich sie sind – sei es nun in Europa oder innerhalb Deutschlands. Wir sollten uns stattdessen darauf besinnen, wie ähnlich wir uns sind. Europa als Wertegemeinschaft und als Ort, wo aktive Menschen gerne leben und arbeiten möchten: Das liegt mir sehr am Herzen, und zwar als Bürger und als BASF-Vorsitzender.“

(BASF beschäftigt am Stammsitz in Ludwigshafen 39.000 Mitarbeiter. Auf einer Fläche, die halb so groß ist wie die Stadt Basel, sind 200 Produktionsanlagen durch ein kilometerlanges System von Rohrleizungen miteinander verknüpft. Durch die räumliche Nähe der Fabriken spart das Unternehmen Zeit und Enegie – weshalb das Konzept auch aus ökologischen Gründen eine Renaissance erlebt.)

= Hört sich doch gut an ! Der Berliner links/grüne Senat will für fünf Jahre eine Mietpreisbremse durchsetzen ! Die Immobilienhaie verdienen schon mehr als genug ! Jedes Kind könnte wissen, dass solche Maßnahmen den Bau von neuen Wohnungen einschränken; und das wiederum führt langfristig zu noch höheren Mieten ! Der Fraktionschef der CDU, Ralph Brinkhaus, hat einen guten Vorschlag gemacht: „Weil wir alle wissen, dass mehr gebaut werden muss, dafür aber nicht genügend Flächen zur Verfügung stehen, müssen wir Gebäude in die Höhe bauen, und zwar dort, wo die Menschen leben wollen.“ Dieser Vorschlags von Brinkhaus ist naheliegend, wird aber am Einspruch der Grünen scheitern, weil die dadurch eingeschränkten Luftbewegungen schlecht für Mensch und Natur sein sollen.

= Ein gefährlicher und inakzeptabler Vorschlag kommt vom US-Botschafter in Israel, David Friedman, der sich in einem Interview mit der „New York Times“ wie folgt äußert: „Ich denke, dass Israel unter gewissen Umständen das Recht hat, einen Teil, aber wahrscheinlich (!!!) nicht alles, vom Westjordanland zu behalten.“ Könnte sich dieser Herr vorstellen, dass damit die Basis für jahrzehnte- oder jahrhundertelange Kriege gelegt wird ? Und dass damit der Hass auf „die Juden“ in der ganzen Welt geschürt wird ? Und dass damit verhindert wird, dass sich die Palästinenser zu einem „normalen“ Volk entwickeln und die gesamte Region befriedet wird ? Steht es diesem Botschafter überhaupt zu, einen solchen Vorschlag zu machen ? Amoz Oz wird sich im Grabe rumdrehen und David Grossmann hoffentlich noch die Kraft aufbringen, gegen diese Politik anzukämpfen.