Kurz und interessant

= Herrn Söders „Blutgrätschen“ gegen die CDU und gegen Herrn Laschet dienen seinem Ziel, bei der nächsten Bundestagswahl als Kanzlerkandidat der CDU/CSU anzutreten. Wenn Herr Laschet Kanzler geworden wäre und einen guten Job gemacht hätte, dann hätte Söder bei der nächsten Wahl keine Chance.

= Allen Untergangsmeldungen zum Trotz: Der Welthandel boomt! Nach dem Corona-Einbruch 2020 ist der weltweite Warenhandel laut WTO auf neue Höchstmarken geklettert. Im Gesamtjahr 2021 soll das Handelsvolumen um 10,8 Prozent und in 2022 um 4,7 Prozent wachsen.

= Die Bundesagentur für Abeit erwartet für das Jahr 2022 einen neuen Beschäftigungsrekord. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten könnte um 550.000 auf dann 34,4 Millionen steigen. Fast alle Branchen werden zusätzliches Personal suchen und die Zahl der Arbeitslosen soll im Durchschnitt des Jahres 2022 um 290.000 auf 2,3 Millionen sinken.

= „Le Parisien“ schreibt über den Missbrauch in der katholischen französischen Kirche (mit über 200.000 Opfern): „Zu diesen Fehlentwicklungen haben die monarchische Organisation der Kirche auf allen Ebenen und der Einstellungsprozess der Priester und das Verhältnis zur Sexualität und die Rolle der Frauen und das Zölibat beigetragen. Veränderungen können nur vom Vatikan ausgehen; dem steht ein starker Gegenwind der „Konservativen“ entgegen. Die Kirche setzt ihre Zukunft aufs Spiel.“

= Einer der kompetentesten Historiker zur Nazigeschichte ist Ulrich Herbert. Seine kurze Darstellung „Das Dritte Reich“ über die deutschen Jahre von 1918 bis 1945 müsste die Grundlage jedes Geschichtsunterrichts an deutschen Schulen sein.

= Die Umsetzung eines Großprojektes auf der Schiene dauert in Deutschland im Schnitt zwanzig Jahre. Der Städte- und Gemeindebund fordert eine neue Kategorie für Investitionsvorhaben mit übergeordnetem gesamtgesellschaftlichen Interesse: „Spürbare Reduzierungen von Anforderungen bei Bau, Planung und Ausschreibung!“

= Titelseite FAZ – Schlagzeile: „W i r d K l o p a p i e r t e u r e r ?“

= Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit – Detlef Schele – : „Wir brauchen mindestens 400.000 Zuwanderer pro Jahr, um die Lücken im Arbeitsmarkt zu schließen. Im Jahr 2020 nahm die Zahl der Bürger im typischen Berufsalter um 50.000 ab; im Jahr 2021 werden das 150.000 sein und nächstes Jahr wird es viel dramatischer.“

= Das Internet hat ganz wesentlich dazu beigetragen, dass die klassischen Medien – vor allem gedruckte Tageszeitungen – massive Umsatzeinbrüche erleiden mussten. Gegen die amerikanischen Internet-Giganten („Monopolisten“) wird deswegen gehetzt und gestänkert. So schreibt „La Repubblika“: „In manchen aufstrebenden Ländern wie Indien reift sogar die Idee, dass die Digital-Monopolisten reguliert gehören wie die wichtigsten öffentlichen Dienstleistungen. Gewinner ist Xi Jinping, weil China für amerikanische Social-Media-Giganten verschlossen bleibt.“

Und das Handelsblatt puscht das Thema mit einem ganzseitigen Artikel und der Riesenschlagzeile: „Und jetzt wieder die Welt regieren. Erst die Enthüllungen, jetzt wieder der Totalausfall: Nie war so deutlich, wie mächtig Facebook ist – und wie gefährlich.“

 

Besondere Menschen: Anton Cechov

Ivan Bunin über Anton Cechov: „Damit seine komplexe und tiefe Seele ergründbar würde, müßte ein großer, vielseitiger Mensch ein Buch über Leben und Werk dieses, wie Tolstoj sagte, „unvergleichlichen Künstlers“ schreiben. Bis dahin bezeuge ich von ganzem Herzen eines: er war ein Mensch von seltenem seelischen Adel, seltener Höflichkeit und Eleganz in bestem Sinne, von Güte und Zartgefühl bei ungewöhnlicher Aufrichtigkeit und Einfachheit, von Sensibilität, Sanftheit und seltener Wahrheitsliebe.“

 
 
 

Die Welt ist ein Dorf

= Rüstungsausgaben im Jahr 2020: USA 780 Milliarden Dollar – China 252 Milliarden Dollar – Indien 73 Milliarden Dollar – Deutschland 53 Milliarden Dollar – Japan 49 Milliarden Dollar – Taiwan + Singapur + Pakistan + Indonesien zusammen 43 Milliarden Dollar.

= Der bedeutendste deutsche Wirtschaftsstandort im Ausland ist Sao Paulo, obwohl Brasiliens Präsident Bolsonaro sich alle Mühe gibt, sein Land unattraktiver für ausländische Betriebe zu machen.

= Polen ist heute eine pulsierende, rasch wachsende Volkswirtschaft, die den eigenen Bürgern viel zu bieten hat. Das ist auch ein Verdienst der Europäischen Union, die die Anhebung des Wohlstands in zurückgebliebenen Mitgliedsstaaten (Polen, Ungarn, Tschechien) als wichtiges Ziel betrachtet.

= Wie können wir den jungen, armen, lebenshungrigen und ehrgeizigen Asiaten standhalten ?

= Der Stadtstaat Singapur ist seit Jahrzehnten eine Insel der Sicherheit und des Wohlstands. Gut 90 Prozent der Haushalte gehört ihre Wohnung.

= Online-Sucht: Minderjährige in China dürfen zukünftig nur noch drei Stunden pro Woche mit Online-Spielen verbringen. Nach den neuen Regeln dürfen unter 18jährige nur noch am Freitagabend zwischen 20 und 21 Uhr, an Samstagen + Sonntagen und Feiertagen jeweils eine Stunde spielen. Außerdem soll sichergestellt werden, dass die Registrierung bei Online-Diensten unter der echten Identität erfolgt.

= Inzwischen beschäftigen europäische und amerikanische IT-Unternehmen hunderttausende Mitarbeiter, die in Asien und vor allem in Indien in ihrem Homeoffice tätig sind.

= „Die Grenze in der Irischen See: Der Brexit sollte Nordirland fest ans Vereinigte Königreich koppeln, so hatten Unionisten sich das vorgestellt. Tatsächlich geschieht gerade das Gegenteil. Die irische Insel wächst zusammen – notgedrungen.“ (FAZ)

= Der ukrainische Präsident Selenskyj gibt sich seit seinem Amtsantritt alle Mühe, Europa in einen militärischen Konflikt mir Russland hineinzuziehen. Die USA stehen dabei hinter ihm. Sein Heimatland in einen Rechtsstaat zu verwandeln, ist Herrn Selenskyj noch nicht gelungen. Im Gegenteil: Jetzt stellt sich heraus, dass der ukrainische Präsident für sein Privatvermögen Offshore-Firmen im Ausland nutzt.

= Der Abschluss eines Gaslieferabkommens des EU-Staats Ungarn mit Russland empört die Ukraine, weil die Einnahmen aus Gastransit-Gebühren dadurch deutlich sinken. Die ungarische Regierung hatte der Ukraine vorgeworfen, dass eine sichere Gasversorgung für Ungarn blockiert werden sollte.

= Ein ranghoher Diplomat der USA ist aus Protest gegen den Umgang von Grenzschutzbehörden mit haitianischen Migranten zurückgetreten. Daniel Foote, der Sondergesandte für Haiti, will sich nicht länger mit den „unmenschlichen und kontraproduktiven“ Entscheidungen seiner Regierung abfinden. Bilder haben gezeigt, wie berittene Grenzschützer Flüchtlinge zusammentrieben. Der Flüchtlingskommissar der UN, Felippo Grandi, stellte fest, dass solche Massenabschiebungen ohne Prüfung individueller Schutzansprüche im Widerspruch zu internationalem Recht stehen.

 
 

Das Immunsystem hilft dem Menschen und der Mensch hilft dem Immunsystem

= Viel Obst und Gemüse essen, wenig Alkohol und keine Zigaretten.

= Die Auswertung von Daten aus 74 Studien mit 3,3 Millionen Probanden ergab, dass zu wenig – und zu viel – Schlaf das Sterberisiko deutlich erhöht. Optimal sind bei den meisten Menschen etwa sieben bis acht Stunden.

= Immer wieder: G e n u g B e w e g u n g !! Spazieren gehen + joggen + Fahrrad fahren usw. Bewegung hilft auch gegen hohen Blutdruck, Diabetes, schlechten Schlaf, Entzündungen im Körper, Stress. Es muss kein Marathon-Lauf sein.

= Richtig atmen! Die richtige Atmung sieht so aus: Ca. sechs Sekunden lang einatmen und ca. sechs Sekunden ausatmen. Am besten durch die Nase.

= Beim Einkauf von Lebensmitteln auf das Haltbarkeitsdatum und vor allem auf die Inhaltsstoffe achten. Zuckerersatzstoffe sind genau so schädlich wie Zucker. Fast-Food, Fertiggerichte und Softdrinks sind nicht zu empfehlen. Auch in der Biobranche ist es nicht immer besser! Weil „Rohrohrzucker“ so edel klingt, wird damit umso freihändiger umgegangen. Das Dinkelmüsli eines Marktführers enthält z.B. 20 Prozent Zucker, in der „Knuspervariante“ noch viel mehr.

= Vitamin C hilft gegen viele Infektionen und Krankheiten und schützt vor Stress. Vitamin C mit Lebensmitteln zu sich nehmen – nicht mit Tabletten.

= Ganz wichtig: Gelassen, entspannt, langsam essen und so gründlich kauen, dass man das Essen trinken kann.

 

Dieses Buch muss man lesen: „Das Jahrhundert der Wölfe“ von Nadeschda Mandelstam

Einige Zitate:

= Eine Ausweisung fürchteten wir nicht. Verbannung und Ausweisung waren bei uns zu normalen Erscheinungen geworden. In den ruhigeren Jahren, als alle etwas aufatmen konnten, als der Terror uns nicht umbrandete, erfolgten im Frühjahr – für gewöhnlich im Mai – und im Herbst vor allem unter der Intelligenzija verhältnismäßig viele Verhaftungen. Dadurch wurde die Aufmerksamkeit von den wirtschaftlichen Mißerfolgen abgelenkt. Ein spurloses Verschwinden gab es zu dieser Zeit aber kaum: die Leute schrieben aus der Verbannung, saßen ihre Zeit ab, kehrten zurück und wurden wieder verbannt.

= Die Menschen würden schichtweise, den Kategorien entsprechend, entfernt (auch das Alter spielte dabei eine Rolle). Die Kategorien waren: Die Angehörigen einer Kirche, die Mystiker, Gelehrte, Idealisten, besonders Schlagfertige, Ungehorsame, denkende Menschen, Schwätzer, Verschwiegene, Streitsüchtige, Leute, die Überlegungen über das Recht, den Staat oder die Wirtschaft anstellten, ja, auch Ingenieure, Techniker und Agronomen, denn es tauchte jetzt der Begriff der „Schädlinge“ auf, denen alle Mißerfolge und Fehlkalkulationen zugeschoben wurden.

= Bucharins Weg war ganz anders. Er sah klar, daß die neue Welt, bei deren Aufbau er aktiv teilgenommen hatte, keineswegs die Verwirklichung der Idee bedeutete. Das Leben verlief nicht nach Plan, die Pläne aber waren zum unantastbaren Heiligtum erklärt worden, und es war verboten, einen Vergleich zwischen ihnen und der Wirklichkeit zu ziehen. Die Theorie des Determinismus brachte, wie es nicht anders zu erwarten war, unglaubliche Praktiken hervor, die jedes Studium der Wirklichkeit kühn mit einem Tabu belegten: Warum sollte man die Grundlagen erschüttern und unnötige Zweifel hervorrufen, wenn die Geschichte uns doch auf jeden Fall zum vorbestimmten Ziel führte? Wenn die Hohepriester so fest zusammenhalten, haben Abweichler keinerlei Gnade zu erwarten. Buchanin war keineswegs ein Abweichler, aber er ahnte, wie unausweichlich für ihn die Grube war, in die ihn seine Zweifel hineinziehen würden.

= So schrecklich auch der Terror der ersten Tage gewesen war, man konnte ihn doch nicht mit der planmäßigen Massenvernichtung vergleichen, der die Bürger des mächtigen Staates „neuen Typs“ nach den Gesetzen, Instruktionen, Verfügungen und Erklärungen ausgesetzt waren, die einfach „von oben“ erlassen wurden.

= Anfang der dreißiger Jahre wollte sich Bucharin auf der Suche nach „Verbindung zu anderen Rädern der Maschinerie“ an Gorkij wenden, um ihn über Mandelstams Situation zu informieren. Vergebens versuchte Ossip Mandelstam, ihn von der Nutzlosigkeit diese Versuches zu überzeugen. Wir erzählten ihm sogar die alte Geschichte mit den Hosen: Als Mandelstam aus der von Wrangel besetzten Krim über Georgien zurückkehrte, wurde er zweimal verhaftet und kam mehr tot als lebendig, ohne warme Kleidung in Leningrad an. Damals konnte man keine Kleider kaufen, sie wurden nur gegen Berechtigungsschein ausgegeben. Die Berechtigungsscheine für die Kleidung der Schriftsteller mußten von Gorkij befürwortet werden. Als man ihm die Bitte vortrug, Mandelstam eine Hose und einen Sweater zuzuteilen, strich Gorkij die Hose aus und sagte: „Er muß ohne sie auskommen.“ Niemals sonst strich er eine Hose vom Berechtigungsschein, und viele Schriftsteller, die später zu den Mitläufern gehörten, erinnerten sich an Gorkijs väterliche Fürsorge. Die Hose, das war eine Kleinigkeit, aber diese Kleinigkeit zeugte von der feindlichen Haltung Gorkijs gegenüber einer ihm fremden Literaturströmung; hier handelte es sich auch wieder um die „schwächlichen Intelligenzler“, die es nur dann zu bewahren galt, wenn die über grundlegende, breitgefächerte Kenntnisse verfügten.

= Mich rettete der Zufall. Unser Schicksal wurde allzu häufig von Zufällen entschieden; meist waren sie verhängnisvoll, und Zufall bedeutete häufig Tod. Ich habe von vielen solchen Zufällen gehört, als ich stundenlang Schlange stand, um Mandelstam Geld zu schicken oder eine Auskunft von der Staatsanwaltschaft zu erhalten. Nie werde ich die Frau vergessen, deren Sohn zufällig anstatt des gleichnamigen Nachbarn, der gerade nicht zu Hause war, verhaftet wurde. Der Frau gelang es, bei irgendeiner Stelle vorzusprechen und zu beweisen, daß in dem Haftbefehl, mit dem man ihren Sohn abgeholt hatte, der Vorname und der Vatersname seines Nachbarn aufgeführt waren. Sie mußte Berge versetzen, um nur das zu erreichen. Die Freilassung ihres Sohnes war bereits angeordnet, als sich herausstellte, daß er nicht mehr am Leben war. Er starb durch einen seltsamen Zufall, während sein Nachbar durch Zufall am Leben blieb und sich versteckt halten konnte.

 
 

Kapitalismus: Ein gewaltiges Ungetüm

Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa hat dazu folgende Meinung:

„Die Demokratie an sich – das heisst das politische System, das der Gesellschaft erwiesenermassen ihre größten Errungenschaften beschert hat: Unterdrückung von Gewalt, friedliche Regierungswechsel, Zusammenleben in Vielfalt und die besten Kontrollmechanismen gegen Machtmissbrauch – ist untrennbar verbunden mit dem auf Werten wie Privateigentum beruhenden Kapitalismus.

Der Kapitalismus hat die Gesellschaft von der Sklaverei und Unterdrückung des feudalen Systems befreit, das die Mehrheit der Menschheit zu von morgens bis abends schuftenden Arbeitstieren erniedrigte, ohne Rechte, Würde und Lohn, von ihren Feudalherren oft unbarmherziger behandelt als ihre Pferde oder Hunde. Das Leben wurde humaner mit dem Aufkommen von unabhängigen Betrieben, privaten Händlern, der Entwicklung moderner Städte, einem System von privatem Eigentum, Freihandel und offenen Märkten. Ohne all das wären die Ideen vom selbstbestimmten Individuum, vom Recht eines jeden einzelnen und der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz nie entstanden. Errungenschaften, die sich in diesem einzigen Wort Freiheit erfassen lassen – ein Begriff, der politiche, gesellschaftliche und kulturelle Chancen eröffnete, Veränderungen bewirkte und Werte schuf, die der Menschheit einen Fortschritt bescherten, wie ihn sich unsere Vorfahren niemals hätten träumen lassen.

In Asien und Lateinamerika scheint der Kapitalismus ganz und gar nicht ausgedient zu haben. Im Gegenteil: in jenen Regionen der Welt präsentiert er sich kraftstrotzender und zuversichtlicher denn je. Indien, Südkorea, Taiwan, die Volksrepublik China, Singapur, Indonesien, Malaysia und Südafrika glänzen mit boomenden Wirtschaften, tatkräftigen Privatunternehmen und zahlreichen Investitionen aus aller Welt, die dort Arbeitsplätze schaffen und im Nu eine Mittelschicht heranwachsen lassen.

Das Panorama Lateinamerika stellt sich nicht minder vielversprechend dar für jemanden, der wie ich daran glaubt, das nur ein System der freien Unternehmen, des privaten Eigentums, offener Märkte und politischer Freiheit befähigt ist, Elend, Hunger und Ausbeutung ein Ende zu setzen und Gesellschaften zu schaffen, die echten Wohlstand bieten – und gleiche Chancen für alle. Unterdessen verkommt die kubanische Diktatur im Elend, populistische und pseudodemokratische Regime wie diejenigen in Venezuela, Bolivien und Nicaragua lassen ihre Länder verarmen und in Korruption und Gewalt ersticken. Diejenigen aber, die wie Brasilien, Mexiko, Kolumbien, Chile, Uruguay, Peru und andere entschlossen den Weg der Demokratie und einer liberalen Wirtschaft beschritten haben, erleben nun, jede auf seine Weise, eine außergewöhnliche Phase wirtschaftlichen Aufschwungs.

Im Laufe seiner Geschichte hat das System des freien Unternehmertums seine außergewöhnliche Fähigkeit bewiesen, sich zu erneuern und neu zu erfinden. Es ist der Moment gekommen, diese Fähigkeit erneut unter Beweis zu stellen, und zwar in den bekannten Schritten:

Erstens: es bedarf einer radikalen aber konstruktiven Selbstkritik hinsichtlich der Ursachen dessen, was schiefläuft. In diesem Fall handelt es sich um das Wohlwollen und die Toleranz gegenüber jenen, welche die vom Gesetz des freien Marktes und Wettbewerbs festgelegten Spielregeln missachten. Sie müssen deshalb verurteilt und einer Strafe zugeführt werden.

Zweitens: es bedarf der Zielsetzung und nie nachlassenden Anstrengung, das System wieder auf die ethischen Prinzipien zurückzuführen, die allein ihm seine Rechtfertigung verleihen. Das heisst, wir sollten die Idee hochhalten, dass der Kapitalismus mehr noch als ein Wirtschaftssystem mit bestimmten Regeln eine auf Werte begründete Kultur ist – bestehend aus Freiheit, Recht und Gesetz -, die das Leben der Menschen sowohl auf materieller Ebene als auch in puncto Würde, Mitgefühl, Chancen, Achtung vor dem Nächsten, Solidartät und Barmerzigkeit vorangebracht haben.

Wir stehen vor einer schwierigen, aber nicht unlösbaren Aufgabe. Die Erkenntnis, dass das System, für das wir eintreten, trotz seiner Unzulänglichketen immer noch besser ist als alle, die bisher versucht haben, es zu ersetzen mit dem Versprechen, das Paradies auf Erden zu schaffen, während sie den Gesellschaften, die sie in ihren Bann zogen, eher die Hölle auf Erden bescherten, sollte uns ermutigen, diese Aufgabe in Angriff zu nehmen. Geben wir der politischen Demokratie und der wirtschaftlichen Freiheit ihr moralisches Gewissen zurück, das sie in den besten Momenten ihrer Geschichte besassen. Zu jenen Zeiten nämlich, als Fortschritt und Kultur ihre größten Erfolge feierten.

Papst Franziskus ist ein Mann der klaren Botschaft: „Diese Wirtschaft tötet.“ Mit einem einzigen Satz spricht der Papst aus, was sich Millionen Menschen denken: Die Reichen werden immer reicher, während die Ärmsten der Armen vor die Hunde gehen. Das sei laut gängiger Meinung auch keine Laune der Natur, sondern das Naturgesetz einer heillos ungerechten Spielanordnung, die auf allen Teilen dieser Erde ihr Unwesen treibe. Ob man „diese Wirtschaft“ nun Kapitalismus oder freie Marktwirtschaft nennt, ist eine Geschmacksfrage, die am vernichtenden Befund nichts ändert: Jene, die schon alles haben, stopfen sich immer mehr in ihre Taschen, während es Abermillionen von Menschen am Nötigsten fehlt. Weil der Überfluss der wenigen seit Generationen in den Entwicklungsländern zusammengestohlen wird. Wer das für billige Antikapitalismuspolemik linker Obskuranten hält, dürfte schon länger keine wirtschaftspolitischen Diskussionen mit Freunden und Bekannten geführt haben. Andernfalls wäre klar, dass sich Papst Franziskus´ Kapitalismuskritik mittlerweile in den verbliebenen Salons des wohlhabenen Bürgertums etabliert hat. Sich gegen Kapitalismus und seinen „Fetisch Wachstum“ auszusprechen, ist ebenso so chic wie das Beklagen der von Geldgebern kaputtgesparten Griechenlands. Gefolgt vom flammenden Appell, dass „wir“ endlich aufwachen müssen, bevor Mutter Erde erbarmungslos zurückschlagen wird.

„Diese Wirtschaft“ tötet nicht, sie löst die Probleme von Millionen von Verbrauchern in allen Teilen der Welt – nicht zuletzt jene der weniger begüterten Menschen. Es sind nicht gemeinwohlorientierte Genossenschaften, die den ressourcenschonenden Gemeinschaftskonsum möglich machen, sondern die nach Profit strebenden neuen wie eingesessenen Anbieter der Marktwirtschaft. Auch wenn sich diese Erkenntnis nicht für ein „Evangelium Gaudium“ zu eignen scheint. Schade eigentlich.“

 

Kluge Worte

= Thich Nhat Hanh: „Unwissenheit ist die Mutter des Misstrauens, der Feindseligkeit und des Abscheus. Unwissenheit ist auch ist auch die Mutter der Angst.“

= Wolf Biermann über das Ergebnis der Linkspartei bei der Bundestagswahl: „Ich bin in der Wahlnacht aufgewacht, als der Newsticker zu den Wahlen meldete: Die Linke, 4,9 Prozent! Da dachte ich an das Bibelwort: „Den Seinen gibt´s der Herr im Schlaf!“ Biermann: „Und ich fand das großzügig, dass Gott, obwohl er ja weiß, dass ich nicht an ihn glaube, diese 4,9 Prozent für mich manipuliert hat.“

= Hans Werner Henze: „L i e d e r i m H e r b s t“

„Man befindet sich im Spätsommer, bei der Weinernte, das hat eine besondere Wirkung und dirigiert uns ein halbes Jahrhundert zurück. Tanz, ausgeführt von Insektenschwärmen. Es summt, es brummt, da herrscht eine eigenartige Luft, ein einzigartiger, sinnesbetäubender Duft. In den Weinbergen singen die Bauersfrauen, bellen die Hunde, aufgeregt und bestürzt von den vielseitigen Erscheinungsformen des Augenblicks.

Das Sonnenlicht kommt nun horizontal herein, westlich, kahle, nackte Wände empfangen heute ganz lustige, zärtliche Schattenspiele – das Ganze beeindruckt wie eine Theaterkulisse, und es ist still und schön und inbrünstig. Wie wäre es, wenn alles so bliebe, wie es im Augenblick sich darstellt!

Nämlich wie Musik, die ja auch die Kraft hat, einen Anspruch auf Ewigkeit zu erheben, und ein Liebesversprechen, das uns einst geschenkt wurde und das uns noch immer und beharrlich an unsere Liebe zu einer höchst eigenartigen Form von Kunst, zur Musik erinnern will.“

= Herbstgeschichte (Nach Rudolf Kirsten):

„Ach, nun bin ich zu gar nichts mehr nütze!“, klagte ein Blatt, als es im Herbst zur Erde fiel. Da kam ein Käferchen vorbei und schnappte sich das Blatt, um darunter seinen Winterschlaf zu halten. Und beim Einschlafen dachte es: „Ein schöneres Dach könnte ich mir nicht wünschen!“

= DKS: „Ignoranz gegenüber der eigenen Inkompetenz oder auch Dunning-Kruger-Syndrom (DKS). Entdecker David Dunning umschreibt das Problem so: Die Leute sind so inkompetent, dass sie nicht einmal merken, dass sie inkompetent sind. Und nicht nur das: Sie halten sich auch noch für kompetenter als die anderen.“

DKS spielt bei den meisten Experten eine Rolle.

= „Ich bat um Kraft, und mir wurden Schwierigkeiten gegeben um mich stark zu machen.

Ich bat um Weisheit und mir wurden Probleme gegeben um sie zu lösen und dadurch Weisheit zu erlangen.

Ich bat um Wohlstand und mir wurde ein Gehirn und Muskelkraft gegeben, um zu arbeiten.

Ich bat um Mut und mir wurden Hindernisse gegeben um sie zu überwinden.

Ich bat um Liebe und mir wurden besorgte unruhige Menschen mit Problemen gegeben um ihnen beizustehen.

Ich bat um Entscheidungen und mir wurden Gelegenheiten gegeben.

Ich bekam nichts, was ich wollte, aber ich bekam alles, was ich brauchte.“ (Fundstück)

= Gottfried Benn:

„Ich habe Menschen getroffen, die mit Eltern und Geschwistern in einer Stube aufwuchsen, nachts, die Finger in den Ohren, am Küchenherd lernten, hochkamen, äußerlich schön und ladylike wie Gräfinnen – und innerlich sanft und fleissig wie Nausikaa, die reine Stirn der Engel trugen. Ich habe mich oft gefragt und keine Antwort gefunden, woher das Sanfte und das Gute kommt, weiss es auch heute nicht und muss nun gehen.“

= Theodor Fontane: „O trübe diese Tage nicht“

„O trübe diese Tage nicht, sie sind der letzte Sonnenschein; wie lange, und es bricht das Licht, und unser Winter bricht herein.

Dies ist die Zeit, wo jeder Tag viel Tage gilt in seinem Wert, weil man´s nicht mehr erhoffen mag, daß so die Stunde wiederkehrt.

Die Flut des Lebens ist dahin, es ebbt in seinem Stolz und Reiz, und sieh, es schleicht in unsern Sinn ein banger nie gekannter Geiz.

Ein süßer Geiz, der Stunden zählt und jede prüft auf ihren Glanz – o sorge, daß uns keine fehlt, und gönn uns jede Stunde g a n z .“