Im Konflikt mit Russland setzt der Kulturbetrieb auf Waffen

Eugen Ruge in der Süddeutschen Zeitung

Die vieldiskutierte Frage, ob den Russen nach der Wende versprochen worden ist, dass die Nato sich nicht erweitert (und ob möglicherweise die Einheit Deutschlands nur durch dieses Versprechen möglich war), ist im Grunde unwichtig.

Auch ich bin davon überzeugt, dass die Nato keinen Überfall auf Russland plant, und wohl auch keinen „regime change“. Aber es nützt überhaupt nichts, Russland das immer wieder zu versichern – während zugleich die Nato immer weiter vorrückt und andernorts Regime demontiert und destabilisiert werden.

Die USA haben seit 1945 mehr als dreißig Kriegseinsätze durchgezogen, mit Millionen von Toten. Das kann man falsch oder richtig finden. Fest steht, dass die USA und auch die von ihr dominierte Nato kein zahnloser Tiger sind. Wir kommen ja nicht mit Kaffee und Kuchen an die russische Grenze, sondern mit modernster Waffentechnologie. Und es gehört eigentlich nicht viel Fantasie dazu, sich die Sache aus russischer Perspektive vorzustellen.

Wenn in einer Situation wie der heutigen – so wie am 26. September 1983 um 0.40 Uhr – fünf vermeintliche amerikanische Raketen auf einem russischen Radarschirm erscheinen, wird der diensthabende russische Offizier dies womöglich nicht als Fehlalarm klassifizieren, wie es Oberstleutnant Stanislaw Petrow damals tat, dem wir vielleicht den Fortbestand unserer Gattung verdanken.

Die Friedensbewegung hat leider nie viel erreicht. Die Kriegsbewegung schon. Jeder Krieg bedarf der rhetorischen und psychologischen Mobilisierung. Deswegen ist der mächtige Chor der Willigen aus dem Kulturbetrieb ein beunruhigendes Signal. Historische Analogien werden ja oft beschworen. Ich glaube nicht, dass Geschichte sich buchstäblich wiederholt, dennoch ist die Ähnlichkeit nicht zu übersehen. Auch 1914, bei Beginn des ersten großen Krieges, waren die Friedenskräfte verstummt. Ganz ohne die später von den Nazis erzwungene Gleichschaltung schien die kultivierte Öffentlichkeit plötzlich mit einer Stimme zu sprechen. In der Presse hagelte es kriegstreibende Aufrufe und Manifeste. Nur ein e i n z i g e r Mann stimmte im Reichstag gegen die Bewilligung der Kriegskredite, gegen a l l e Abgeordneten a l l e r Parteien. Und noch im Oktober, als das Morden auf den Schlachtfeldern bereits lief, fanden es 93 „Vertreter deutscher Wissenschaft und Kunst“ angemessen, einen „Aufruf an die Kulturwelt“ zu verfassen, in dem sie Deutschland bescheinigten, das „Äußerste“ getan zu haben, um den Krieg zu verhindern, während sie die Gegner Deutschlands der Grausamkeit, des Meuchelmordes und des Verrats an der europäischen Zivilisation beschuldigten.

Wie gesagt, Geschichte wiederholt sich nicht. Trotzdem könnte man aus ihr lernen.

 

Antisemitismus bei der Deutschen Welle

Michael Hanfeld in der FAZ:

Peter Limbourg, Intendant der Deutschen Welle, findet es „unerträglich“, was eine unabhängige Untersuchung zutage gefördert und in einem Bericht über 56 Seiten festgehalten hat. Das betrifft Social-Media-Postings von Mitarbeitern der Deutschen Welle, das Programm von Partnersendern und Organisationen, mit denen die Deutsche Welle zusammenarbeitet, aber auch das Angebot der Middle-East-Redaktion selbst.

So erschienen Beiträge über angebliche „Proteste“ einer bürgerlichen „Bewegung“ in Gaza, bei der es sich in Wahrheit um die Terrororganisation Hamas handelte. Im Prüfbericht heißt es: „Die Geschichte des Staates Israel wurde falsch geschildert. Objektiv falsche Informationen sind als Fakten dargestellt und aktuelle und historische Geschehnisse vor Ort sehr einseitig und tendenziös eingeordnet worden. Die anti-iraelischen und teils antisemitischen Einstellungen der Berichterstattung kommen auch direkt beim deutschen Publikum der Deutschen Welle an“.

Warum ein Bewunderer von Bin Laden und von Saddam Hussein und des iranischen Regimes und der Hamas und der Hisbollah binnen fünf Jahren siebzigmal als Experte bei der Deutschen Welle auftauchte, ist nicht zu erklären. Hier geht es nicht um die Äußerungen von Mitarbeitern im Internet, die eindeutig judenfeindlich sind („Wie kommt es, dass die Juden bis heute Tränen über die Holocaustopfer vergießen, während Zionisten die Verbrennung der Palästinenser fordern?!!!“), sondern ums Programm.

Die Sendeleitung muss sich bis hinauf zum Intendanten fragen lassen, wieso es der kritischen Hinweise in der „Süddeutschen“ und in anderen Medien bedurfte, bevor sie der Sache endlich auf den Grund ging.

Die Deutsche Welle muss die Empfehlungen der Experten aus dem Prüfbericht nun rasch umsetzen.

 
 
 

Die Welt ist ein Dorf

= Indien ist die drittgrößte Volkswirtschaft Asiens und wächst im laufenden Haushaltsjahr (31. März) um 9,2 Prozent. Im Vorjahr war die Wirtschaftsleistung allerdings um 6,6 Prozent geschrumpft.

= Über 700 Jahre, bis Anfang des 16. Jahrhunderts, waren die Araber die führende Kulturnation der Welt. Ihre Leistungen auf den Gebieten z.B. der Naturwissenschaften, der Mathematik oder der Philosophie sind dokumentiert. Begriffe wie Algebra, Algorithmus haben Eingang in westliche Sprachen gefunden. Der Niedergang der arabischen Kultur setzte mit der totalen Zerstörung und weitgehenden Ausrottung der Bevölkerung im Irak und Syrien durch die Mongolen im 14. Jahrhundert ein. Dann folgte bis ins 20. Jahrhundert die andauernde Besetzung der arabischen Länder durch das Steppenvolk der Sedschuken (Türken).

= Die Baobaballee: Mit einer Höhe von mehr als 30 Metern ist der Baobab, der afrikanische Affenbrotbaum, ein majestätisches Gewächs. Im Westen Madagaskars bildet eine Gruppe dieser wuchtigen Giganten der Pflanzenwelt eine weltweit einmalige Allee. Baobabs werden mehr als 1000 Jahre alt. Ihre Wasserreserven lassen sie auch in extremen Trockengebieten überleben.

= Europäische Juden sind sich des zunehmenden Antisemitismus bewusst, sei es von der extremen Rechten oder von der extremen Linken. Alle haben etwas zu verlieren, Juden und Nicht-Juden gleichermaßen. Jüdische Präsenz war immer ein wichtiger Faktor der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Entwicklung. Nicht weil die Juden klüger oder besser sind, sondern weil Risiko und Ungewissheit schon immer zum jüdischen Leben gehörten. Teils wegen ihrer Geschichte, teils wegen eines Glaubens, der den Mut feiert, in Instabilität zu überleben anstatt in der Bequemlichkeit der Stille.

= Ein ZDF-Film verkitscht und verharmlost mit Menschenfressern und barbusigen Mädchen den deutschen Kolonialismus.

= Die ganze Welt will deutsche Waren: Trotz Corona hat Deutschland im Jahr 2021 mit Exporten von 1,4 Billionen Euro einen neuen Rekord aufgestellt. Die Importe stiegen auf 1,2 Billioen Euro.

= Im nordvietnamesischen Bistum Hai Phong liegt das größte katholische Seelsorgezentrum des Landes. Dort finden Einkehrtage, Konferenzen und Seminare statt. Außerdem gibt es Wohnungen für kranke und alte Priester. Auf dem Gebiet des Bistums breitete sich der christliche Glaube dank missionarischen Engagements aus. Nach der Niederlage der französischen Armee 1954 flohen die meisten Katholiken vor der kommunitisch-atheistischen Verfolgung in den Süden. Erst seit den achtziger Jahren – im Zuge einer Lockerung der kommunistischen Politik gegen die Religion – blüht das Leben der Kirche in der großen Hafenstadt Hai Phong wieder auf.

= Europa und Afrika müssen zusammenrücken. Um die Produktion von grünem Strom und Wasserstoff massiv ausbauen zu können, sollte die EU enger mit dem Nachbarkontinent kooperieren. (Werner Hoyer/Präsident der Europäischen Investitionbank)

= Das gibt es nur im Fußball !! Ajdin Hrustic ist Australier, spielt in Deutschland bei Eintracht Frankfurt und hat bosnische und rumänische Wurzeln.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Kurz und interessant

= In England hat ein Untertan vorgeschlagen, die Steuern auf Bier und Wein abzuschaffen: „Dann wird das ganze Land die meiste Zeit betrunken sein, und niemand wird sich darum scheren, wie katastrophal die Regierung agiert.“

= „Als ich in Algier lebte, geduldete ich mich den ganzen Winter hindurch, weil ich wußte, daß in einer Nacht, in einer einzigen kalten und reinen Februarnacht, die Mandelbäume der Vallée des Consuls sich mit weißen Blüten bedecken würden. Und ich war jedesmal verwundert, wie dieser zarte Blütenschnee allen Regeln und Meerwinden trotzte. Und doch dauerte jedes Jahr das Blühen gerade so lange, als es braucht, um die Früchte vorzubereiten.“ (Albert Camus)

= Svenja Schulze, die neue Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit wird in der S.Z. mit folgender Schlagzeile zitiert: „Ich will eine feministische Entwicklungspolitik“.

= „Frauen sind soziale Wesen und immer darum bemüht, dem Mann das Gefühl zu geben, dass er gebraucht wird“. (Fundstück)

= Nach der Finanz- und Eurokrise (2009) war für alle sogenannten Experten völlig klar, dass Griechenlands Pleite nicht zu verhindern sei. Jetzt hat die griechische Regierung mitgeteilt, daß bis Ende März 2022 die Restschulden beim Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 1,8 Milliarden Euro getilgt werden. Der IWF hatte sich mit 32 Milliarden Euro am griechischen Rettungsprogramm beteiligt. Jetzt kann sich Griechenland selbst Geld am Kapitalmarkt leihen.

= Schlagzeile in der S.Z.: „Wer folgt auf Jens Stoltenberg als Nato-Generalsekretär, wenn der Norweger im September sein Amt abgibt? Warum vieles für eine Frau spricht und vieles für eine Südeuropäerin.“

= Der Bund hat für das Jahr 2021 ein Rekorddefizit gemeldet. Die Bundesländer haben trotz Corona einen Überschuss von 800 Millionen Euro erzielt.

= 41 Prozent der Sechs- bis 13-jährigen haben eine Spielekonsole im Kinderzimmer.

= Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.

= Man sollte so lange bei den Eltern wohnen, bis man zu den Kindern ziehen kann.

= Wissen ist der erste Rohstoff, der sich bei Gebrauch vermehrt.

= Die neuen Populisten eint und verbindet der Nationalismus als Idee der Selbstbehauptung nach innen wie nach außen. Dieser Nationalismus kommt in diesen Zeiten deshalb hoch, weil es genau um diese Frage geht: Begegnen wir als Europäer der Krise, indem wir gemeinsame Lösungen finden oder indem wir uns trennen? Sind wir alleine besser dran als zusammen? (V. Zastrow)

= Der Flirt ist eine Kunst, einer Frau in die Arme zu sinken, ohne ihr in die Hände zu fallen.