S e e l e n l e b e n

= Wolf Wondratschek über Poesie: Borges zitiert den großen amerikanischen Dichter Walt Whitman, einen Satz, worin er feststellt, dass er die Nachtluft, die wenigen großen Sterne viel überzeugender fände als bloße Argumente.

Der Poet ist der Musiker unter den Schriftstellern. Er ist der, dem die Geheimnisse des Gefühls kostbarer sind, als die Wahrheiten des Verstandes. Gedichte sind keine zu lösenden Rätsel. „Mit jedem Tag“, lesen wir bei Marcel Proust, „messe ich dem Verstand weniger Bedeutung zu.“

Was bedeutet ein Streichquartett Schuberts? Was bedeutet Wohlklang? „Two red roses across the moon.“ Oder eine erste Gedichtzeile wie: „Gelassen stieg die Nacht an Land“. Lassen Lehrer zu, Schüler sich in diesen Satz verlieben zu lassen? Wie unbekannt ist die Einsicht, dass Interpretation allen Zauber stört – und zerstört? Wer ein Gedicht nicht versteht, hat vielleicht höhere Einsichten. Es hat ihm die Sprache verschlagen, beim magischen Aufleuchten des Unverständlichen.

= Liebe Seele, trachte nicht nach dem ewigen Leben, sondern schöpfe das Mögliche aus.

= Kants Welt ist unsere Welt, wie sie sein sollte. Sie ist für uns aktuell, weil sie fast alle großen geistigen und politischen Herausforderungen, denen wir uns heute konfrontiert sehen, klar und deutlich herausgearbeitet und möglichen Lösungen zugeführt hat: vom Problem des Friedens über die Grenzen des Sag- und Denkbaren bis zu den verführerischen Heilsversprechen religiöser und politischer Moralisten; und sie deutet zugleich auf etwas hin, das durch keine Tatsachenbeschreibung oder- erklärung erfasst werden kann: auf das Ethos einer moralischen Welt, in der die Freiheit und Gleichheit aller Weltbürger möglich sein kann und der Gerichtshof der Vernunft zwar dem Streit, aber nicht dem Krieg sein Recht zugesteht. (Fundstück)

= „Vor meinem eigenen Tod“, schrieb Mascha Kaléko, „ist mir nicht bang – nur vor dem Tode derer, die mir nah sind. – Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind? – Allein im Nebel tast ich totentlang – und lass mich willig in das Dunkel treiben – das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben – der weiß es wohl, dem Gleiches widerfuhr. – Und die es trugen, mögen mir vergeben – bedenkt, den eigenen Tod, den stirbt man nur – doch mit dem Tod der anderen muss man leben.“

= Das Vorhandensein des Todes zwingt uns, entweder freiwillig auf das Leben zu verzichten oder unser Leben so umzugestalten, daß wir ihm einen Sinn verleihen, den der Tod ihm nicht rauben kann. (Leo Tolstoj)

= Alles erwogen, was gegen ihn (Bach) zeugen könnte, ist dieser Leipziger Kantor eine Erscheinung Gottes: Klar, doch unerklärbar. (Karl Friedrich Zelter)

= Ich möchte zur Aktualität der Gottesfrage empfehlen, einmal beim Mystiker Meister Eckhart nachzulesen: Gott ist der Seelengrund des Menschen. Gott ist keine Person. Gott ist kein Wesen. Gott ist nicht einmal etwas Seiendes. Gott ist reine Intellektualität und sonst gar nichts. Sehr deutlich wird das dann noch, wenn man wie im ersten Johannesbrief (Kap. 4) das Wort „Gott“ durch „Liebe“ ersetzt. Dann wird klar: Das Göttliche ist niemals außerhalb, sondern als Seelengrund das Ureigentliche des Menschen. Das Göttliche wird im Lieben und Geliebtwerden sichtbar und erfahrbar. (Manfred Flerus)

= Tausende Seiten habe ich geschrieben – und wahrscheinlich werde ich schreiben, solange ich lebe – doch werde ich in der Gewissheit sterben, daß es mir, hätte ich es versucht, nie gelungen wäre, in zwei oder in hunderten von Sätzen auszudrücken, was Bäume, nicht nur Birken, und was Landschaften mir bedeuten, seitdem ich weiß, daß es kein Ende gibt oder daß auf jedes Ende viele andere folgen, endlos…. Es ist die einzige Erfahrung, die – wie das Leben selbst – beides zugleich ist: tröstlich und beängstigend. (Manes Sperber)

= Völker der Erde, zerstöret nicht das Weltall der Worte, zerschneidet nicht mit den Messern des Hasses den Laut, der mit dem Atem zugleich geboren wurde.

Völker der Erde, O daß nicht Einer Tod meine, wenn er Leben sagt – und nicht einer Blut, wenn er Wiege spricht.

Völker der Erde, lasset die Worte an ihrer Quelle, denn sie sind es, die die Horizonte in die wahren Himmel rücken können. (Nelly Sachs)

 
 
 
 
 

Das Sündenregister der Medien in 2758 Notizen:

  • Keine Presse ist wahr, weil sie revolutionär ist. Sie ist nur revolutionär, weil sie wahr ist. (A. Camus)
  • Ein freier Journalist bedient sich unvemeidlich der Ironie, wenn auch oft widerwillig. Doch Wahrheit und Freiheit sind anspruchsvolle Geliebte, die nur wenige Liebhaber haben. (A. Camus)
  • Ein freier Journalist veröffentlicht nichts, was den Hass schüren oder die Verzweiflung fördern könnte. (A. Camus)
  • Auf der Titelseite der Zeitschrift Focus stand vor Jahren und vor der Corona-Pandemie in großen Lettern: „Das Ende der Mittelschicht – Wie Digitalisierung, Demografie und Politikversagen unseren Wohlstand gefährden.“ (Trefferquote null !!)
  • Süddeutsche Zeitung im Land Absurdistan: „Beton ist unschuldig. Ist Terrorismus das Ergebnis schlechter Stadtplanung? Die Architekten Klumpner und Brillembourg erforschen Problemviertel auf der ganzen Welt.“
  • Süddeutsche Zeitung am 16.10.2015: „Vier Milliarden Menschen sind Verfolgung, sexueller Ausbeutung, Sklaverei schutzlos ausgesetzt.“ Milliarden und Millionen verwechselt ?
  • Die Zeitschrift „STERN“ schreibt zwei Wochen, nachdem Olaf Scholz sein Amt angetreten hat: „Der unsichtbare Kanzler. Olaf Scholz ist angetreten, das Land zu verändern. Zu sehen ist davon bisher wenig.“ (Gehört der „STERN“ zum Springer-Konzern?)
  • Nicola Leibinger ist Chefin des Trumpf-Konzerns und sagt über Fernseh-Talk-Shows: „Man kann keinen Gedanken richtig zu Ende führen und wird ständig unterbrochen und man hat das Gefühl, dass die Auswahl der Gäste oft einseitig ist – jedenfalls nicht übermäßig wirtschaftsfreundlich.“ Und der Bundesrichter Thomas Fischer zum gleichen Thema: „Den Talk-Shows im Fernsehen geht es weder um Auseinandersetzungen mit ernsten Argumenten, noch um Informationen des Bürgers, sondern allein darum, auf jede nur erdenkliche Weise Quote zu generieren; man setzt irgendwelche Leute in der Hoffnung zusammen, daß sie sich gegenseitig mißverstehen, anschreien und beleidigen; die Moderatoren haben vom Thema so viel Ahnung wie das Huhn vom Sonntag.“
  • Mario Vargas Llosa: „Der Sensationsjournalismus bildet das Krebsgeschwür der Presse. Eine wahre Pest, die heute die Nachrichten verseucht, in das Privatleben eindringt, gegen Persönlichkeitsrechte verstösst, die niedrigsten Instinkte ausbeutet.“
  • Der Reporter Nick Davies übt in seinem Buch „Flat Earth News“ heftige Kritik am britischen Nachrichtenjournalismus. Davies: „Ich war gezwungen, mir einzugestehen, dass ich in einer korrumpierten Profession arbeite.“ Davies sieht in der Qualitätspresse und im Rundfunk Nachrichten, die vom gleichen Kaliber sind, wie die, dass die Erde eine Scheibe ist.
  • Riesenschlagzeile in der Neuen Zürcher Zeitung: „Die unendlichen Dramatisierungs-Reserven – Der linksliberale Zeitgeist und die sechs Gebote des moralischen Journalismus:“ Daraus ein paar Zitate: „Dramatisiert wird in den moralisch guten Medien nicht nur die drohende rechte Gefahr, dramatisiert wird auch der unausweichliche Klimawandel. Dämonisiert werden – zum Beispiel – die erzbösen Autobauer. In den moralischen Medien wird man nur sehr selten etwas sehen, hören oder lesen über böse, antisemitische Palästinenser, korrupte Grünen-Politiker, dumme Antifaschisten, verantwortungslose Alleinerziehende, schlechte Erzieherinnen, unglückliche Scheidungskinder, unverschämte und undankbare Migranten. Und fast nimals etwas über Journalisten, die sich geirrt haben.“
  • Die FAZ schreibt unter der Schlagzeile „Missachtete Unschuldsvermutung“ über die sogenannte Verdachtsberichterstattung: „Bei bloßem Verdacht gefährden Justiz und Presse die Existenz von Menschen.“ „Der frühere Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Ernst Gottfried Mahrenholz fordert eine Änderung der Pressegesetze. Demnach dürften die Behörden in der Regel keine Namen oder sonstige Informationen mehr über die Identität von Verdächtigen nennen.“ „Das Ansehen, die Ehre und das Persönlichkeitsrecht eines Menschen steht bei einer Vorverurteilung auf dem Spiel“, warnte Mahrenholz – und ebenso dessen wirtschaftliche Existenz.“ (Und manchmal steht auch das Leben auf dem Spiel !!)
  • Frankreichs Ex-Ministerin Rachida Dati wird in einem Interview mit der WELT gefragt: „Sie sagen, Sie haben dauernd Streit. Ertragen Sie das, um dazuzugehören, oder genießen Sie Streit gelegentlich?“ Dati: „Nein, es gibt Sachen, die unerträglich sind: Gerüchte und Verleumdungen. Ich habe eine Familie. Man kann sich nicht vorstellen, wie verantwortungslos Journalisten sein können. Das ist die einzige Berufsgruppe, die völlige Immunität genießt. Sie schreiben alle möglichen Lügen und Behauptungen über ihre Familien auf, ohne sich irgeneine Frage zu stellen. Dass man mich wegen meines Programms oder meiner Überzeugungen angreift, einverstanden. Aber dass man meine Nächsten angeht, das ist nicht hinnehmbar.“
  • Johann Wolfgang von Goethe: „R e z e n s e n t – Da hatt ich einen Kerl zu Gast, er war mir eben nicht zur Last; ich hatt just mein gewöhnlich Essen, hat sich der Kerl pumpsatt gefressen, zum Nachtisch, was ich gespeichert hatt. Und kaum ist der Kerl so satt, tut ihn der Teufel zum Nachbarn führen, über mein Essen zu räsonieren. „Die Supp hätt können gewürzter sein, der Braten brauner, firner der Wein. Der Tausendsackerment! Schlag ihn tot, den Hund! Er ist ein Rezensent.“
 
 

Kluge Worte zum Ukraine-Konflikt:

Dem SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich wird vorgeworfen, ein Putin-Versteher zu sein; jetzt hat er sich dazu geäußert: „Ein Teil der Sicherheitsstrategie im Kreml besteht zurzeit darin, außerhalb des russischen Staatsgebiets Konflikte zu schüren. Putin glaubt mit diesem Unfrieden außerhalb des eigenen Territoriums mehr Sicherheit zu gewinnen. Er „zündelt“ nach außen, um seine Macht im Innern zu konsolidieren. Auch wenn diese russische Sicherheitspolitik ein Irrweg ist, müssen wir uns mit diesen Denkkategorien auseinandersetzen und versuchen, sie aufzuweichen. Das habe ich jedenfalls aus der Entspannungspolitik gelernt.“

 

Für Ihre Gesundheit !!!

= Pektin – der besondere Stoff im Apfel – ist ein wasserlöslicher Ballaststoff, der die Verdauung fördert und zugleich Entzündungen hemmt. Er hält als natürliche Klebesubstanz die Fruchtzellen zusammen. Pektin vermag Giftstoffe im Darm zu binden und die Gefäße zu schützen, indem es den schädlichen LDL-Cholesterinanteil im Blut senkt und das natürliche HDL-Cholesterin erhöht und somit Gefäßablagerungen vorbeugt.

= Optimismus, Begeisterung, gute Stimmung: Die Zellen des Immunsystems sind in gewisser Weise „schwimmende Nervenzellen“ und werden von Gedanken, Gefühlen und der seelischen Stimmungslage beeinflusst. Eine prinzipiell optimistische Lebenseinstellung begünstigt eine gute Funktion des Immunsystems.

= Vitamin D-Gehalt in der Nahrung: Hering 1040 IE – Aal 840 IE – Lachs 680 IE – Sardinen 440 IE – Thunfisch 240 IE – Butter 48 IE – Avocado 160 IE (D2) – Steinpilze 120 IE (D2).

= Gemüse ist gesund, wenn es nicht zu lange gekocht wird. Ein Tip: Kohl u.ä. vor dem Kochen klein schneiden und 15 Minuten liegen lassen und dann köcheln – so entsteht Sulphoraphan und bleibt erhalten.

= Sehr heiße Getränke erhöhen das Risiko für Speiseröhrenkrebs deutlich. Das geht aus einer Analyse der Daten von 500.000 Personen hervor, die im Fachmagazin „Annals of International Medicine“ veröffentlicht wurde. Bereits 2016 stufte die Internationale Agentur für Krebsforschung Heißgetränke mit einer Temperatur von mehr als 65 Grad generell als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Das gilt besonders für Menschen, die rauchen und regelmäßig Alkohol trinken.

= Roter Paprika enthält antioxidative Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe. Das macht die roten Schoten zu einem super Virenschutz. Frisch als Rohkost knabbern, dann hat man die volle Vitamin-Power. Gründlich kauen !

= Ob als Tee, Lutschpastille oder zu einem leckeren Curry verarbeitet: Ingwerwurzeln stecken voller Scharfstoffe, die bei Erkältung und Muskelschmerzen ordentlich einheizen. Obendrein wirkt die Heilpflanze entzündungshemmend, antibakteriell und schmerzstillend – und unterstützt das Immunsystem.

= Zu den Lebensmitteln, die man aus der Küche verbannen sollte, zählt der raffinierte Zucker. Der Biochemiker und Nobelpreisträger Otto Heinrich Warburg wies schon vor Jahrzehnten nach, dass der Stoffwechsel bösartiger Tumore auf das Vorhandensein von Glukose angewiesen ist. Glukose entsteht bei der Verstoffwechselung von Zucker.

= Sei gut zu Fuß. Und zu dir selbst ! Übergewicht ist ein dickes Problem für die Industrieländer. Ausnahmsweise haben Ärzte eine ganz einfache und günstige Lösung dafür. Z.B. auf dem Weg zur Arbeit eine Haltestelle früher auszusteigen. Oder auf dem Weg zum nächsten Meeting die Treppe zu nehmen. Kurz: Du solltest versuchen, so oft wie möglich zu Fuß zu gehen. Dein Körper sehnt sich danach – und selbst wenn es nur der Weg vom Dessertwägelchen zur Käsetheke und zurück ist … es wäre immerhin ein Anfang.

Wer viel sitzt , lebt gefährlich. Zu diesem Schluss kamen Forscher der im „American Journal of Epidemeology“, nachdem sie mehr als 100.000 ursprünglich gesunde Amerikaner nach ihren Lebensgewohnheiten befragt und über einen Zeitraum von 13 Jahren hinweg medizinisch begleitet hatten. Frauen, die mehr als sechs Stunden am Tag im Sitzen verbrachten, besaßen ein um 37 Prozent höheres Sterberisiko als jene, die weniger als drei Stunden saßen. Bei Männern waren es im Vergleich 18 Prozent. Wer auch in der übrigen Zeit keinerlei Ausgleichssport betrieb, verdoppelte dieses Risiko noch einmal.

 

Fußball bringt Frieden in die Welt und hilft hunderten Millionen Fans die Corona-Krise zu überstehen. Das hindert einige gebildete Klugscheißer-Journalisten nicht, auch in diesen schwierigen Zeiten mit Häme und Arroganz auf den Fußball einzudreschen !

Ein gewisser Herr von Petersdorff liefert in der FAZ die Riesenschlagzeile „Die Gentrifizierung des Fussballs“ und meint, dass reiche Mannschaften immer häufiger gewinnen und dass der Fußball langweilig wird. usw. usw. usw.

Langweilig? Wegen Bayern München? Das heißt: Seitdem Bayern die Bundesliga dominiert, ist sie also langweilig. Achtundneunzig Prozent der deutschen Fußballfans interessieren sich für Sandhausen oder Essen oder Telgte oder Duisburg oder Aue. Und das bleibt so, auch wenn Bayern noch hundert mal Meister wird.

Wir Fußball-Fans lieben unsere Vereine und wir sind treu und solidarisch und für die meisten von uns ist Fußball neben der Familie der wichtigste Lebensinhalt.

Und wir sind Fußball-Fans, weil Fußball in der g a n z e n W e l t die wichtigste soziale und politische Erfindung ist. Auch in Russland !! Auch in der Ukraine !! Auch in der Türkei, in Israel, in vielen Ländern Afrikas und Südamerikas.

Auch die WM in Katar wird dieses Land positiv verändern !

Herr von Petersdorff sollte auf den Golfplatz gehen – dort wird er sich wohler fühlen.

 
 
 
 
 

Fremde Heimat Fernes Land: Vor 200 Jahren gründeten Auswanderer aus Württemberg ein Dorf im Kaukasus.

Jetzt entdeckt der Ort seine Vergangenheit: Dieses Licht! Sanft und doch strahlend, so frisch und klar, man meint es riechen zu können. Jetzt dort hinten mit dem Pferd über die grasbewachsene Ebene galoppieren, auf das Gebirge zu, auf die schneebedeckten Gipfel des Kleinen Kaukasus. Schwer zu begreifen: Diese Weiten, sattgrün im Frühling, sonnenverbrannt im Herbst, das war ihre Heimat. Die der Auswanderer aus Württemberg, aus Reutlingen, Betzingen, Altbach, insgesamt 140 Familien, die vor zwei Jahrhunderten dieses Dorf hier gegründet haben, nach einer gefahrvollen und verlustreichen Reise von anderthalb Jahren: Helenendorf.

Sie hatten einem Land den Rücken gekehrt, das unerträglich geworden war. Württemberg war ausgeblutet durch zwei Jahrzehnte napoleonische Kriege, regiert von einem König, dem die hungernden Bauern erklärtermaßen wurscht waren und der das Land auspresste, um in Stuttgart und Ludwigsburg seinen prächtigen Hofstaat zu unterhalten. Dazu kam eine fürcherliche Serie von Missernten – mit dem Höhepunkt 1816, dem „Jahr ohne Sommer“. Die Obstbäume fruchteten nicht, das Getreide verfaulte auf den Feldern; der Zehnt aus der Weinernte, der an die Oberfinanzkammer gemeldet wurde, fiel von 16.842 Eimern im Jahr 1811 auf 654 Eimer 1816. Für viele war der Glaube die einzige Zuflucht; der Pietismus und die Hoffnung auf eine baldige Wiederkehr Christi entwickelten sich zu einflussreichen Strömungen.

Da kam das Angebot des russischen Zaren Alexander l. (der ein halber Schwabe war, denn seine Mutter war Württembergerin) wie gerufen: Er bot Auswanderwilligen eine neue Heimat im Kaukasus, mit Religionsfreiheit und ohne Militärpflicht. Wer dabei sein wollte, musste allerdings Handwerker oder Weinbauer sein und ein beträchtliches Barvermögen von 300 Gulden vorweisen. Es war klassischer Mittelstand, der da sein Land verließ.

So entstand dieses deutsche Dorf, weitab im Orient. „Romantisch und lieblich am Nordabhang des Kleinen Kaukasus gelegen“, so ein Reisebericht von 1910, „erblüht im fernen Asien zwischen wilden Völkern ein deutsches Gemeinwesen.“ Der Autor lobt die „Arbeitsamkeit und Redlichkeit“ der Siedler, die sich „eine feste Anhänglichkeit an das Heimatland ihrer Voreltern bewahrt“ hätten.

Nach extrem schwieriger Anfangszeit war Helenendorf zu einer prächtigen Gemeinde herangewachsen. Die Wagenbaufirma Votteler verkaufte weithin ihre vierrädrigen Pferdewagen; die Vohrers und die Hummels verkauften ihren Wein; es gab Kirche und Schule, Sinfonie- und Blasorchester, alle denkbaren Handwerke und die erfolgreiche Winzergenossenschaft Konkordia, die in vielen Städten Niederlassungen unterhielt.

Wie fern das alles ist! Das Land heißt heute Aserbaidschan und Helenendorf heißt Göygöl. Bei einem Besuch der Botschafterin der Bundesrepublik wird ihr Margarete Reitenbach vorgestellt, eine alte Dame, klein, aufrecht, zäh, die 1933 in Helenendorf geboren wurde und die ihre Geschichte erzählt: 1937 wurde der Vater als angeblicher Spion verhaftet und erschossen, 1941 wurde das achtjährige Mädchen mit ihrer Familie wie alle Deutschen in die kasachische Steppe deportiert, wo es in den ersten Monaten um das nackte Überleben ging; jahrzehntelang lebte Margarete Reitenbach dann im sowjetischen Kasachstan, bis sie Anfang der Neunziger nach Deutschland übersiedeln durfte.

Jeder hat solche Geschichten von Vater, Onkel, Großvater, deportiert, verhaftet, erschossen; oft existieren nicht einmal Unterlagen über die genauen Todesumstände, geschweige denn, dass man einen Ort zum Trauern hätte.

Wenn Margarete Reitenbach von früher erzählt, rutscht sie noch stärker ins Schwäbische hinein als ohnehin schon. Darauf angesprochen, erzählt sie von ihrem Enkel, der in der Schule gefragt wurde, wie viele Sprachen er spreche. „Drei“, war die Antwort, „Deutsch, Russisch und Wogehtschtna.“ – „Was ist das?“ – „So spricht d´Oma.“ Die wahre Heimat ist manchmal eben doch die Sprache. (Martin Rasper schrieb diesen Artikel für die FAZ)

 

Zur aktuellen Lage

= „Der Westen muss Russland eine Brücke bauen“ – Unter diesem Titel schreibt Johannes Varwick (Professor für Internationale Beziehungen und europäische Politik an der UNI Halle-Wittenberg) einen wichtigen Artikel in der FAZ; daraus einige Zitate:

  • ……. daß hieße im Übrigen nicht, die Ukraine (für die niemand im Westen militärisch kämpfen würde) hängen zu lassen, sondern es hieße, dass wir mit der Ukraine, mit Russland, mit den USA und den europäischen Staaten darüber reden, welchen Platz die Ukraine und Russland in der europäischen Sicherheitslandschaft haben können. Da liegen Ideen auf dem Tisch, etwa eine „Finnlandisierung“ der Ukraine, also eine wie auch immer ausbuchstabisierte Neutralität. All dies klingt heute und angesichts des russischen Säbelrasselns nach allzu schmutziger Realpolitik.
  • Im Anschluss an die noch sehr unverbindlichen Gespräche und der Aufnahme des Dialogs sollte über eine hochrangige Konferenz nachgedacht werden, die ohne Vorbedingungen und in unterschiedlichen Formaten und Ebenen über das Ziel einer Revitalisierung der europäischen Sicherheitsarchitektur berät. Solang diese Konferenz tagt – und dafür wäre realistischer Weise ein Zeitraum von zwei Jahren anzusetzen – sollte zumindest bei Militärmanövern vollständige beiderseitige Transparenz vereinbart und die Sanktionen schrittweise reduziert werden. Für die Dauer der Verhandlungen sollte zudem ein „Freeze“ (Einfrieren) bei der Frage der NATO-Erweiterung vereinbart werden.
  • Voraussetzung ist also die Anerkennung der legitimen Sicherheitsinteressen beider Seiten. Es müssen mithin „win-win“-Situationen geschaffen werden, die die derzeitige Blockade überwinden. Der Schlüssel dafür liegt nicht allein – wie nahezu alle westlichen Kommentare unterstellen – in Moskau, sondern auch in Washington, Berlin und Brüssel. Russland eine tragfähige Brücke zu bauen wäre weder unverantwortliches Appeasement noch würde es einen Verzicht auf die Einforderung grundlegender in der OSZE vereinbarter Standars bedeuten, sondern wäre ein Gebot politischer Klugheit.

= Nachdem die Ukraine vom Westen und vor allem von Deutschland Waffenlieferungen gefordert hat und nachdem Deutschland das klar und deutlich abgelehnt hat, springt jetzt ein gewisser Boris Johnson in die Bresche – das melden heute die Medien. So kann Johnson von seinem abartigen Verhalten ablenken und auch noch ein Geschäft machen und er kann seine Verachtung für Europa und Russland zeigen.

= Am 18.7.2010 lautete die Schlagzeile einer großen deutschen Tageszeitung: „Neue Angst um China – Sinkende Preise bei Immobilien, nachlassendes Wachstum, faule Kredite: Manche fürchten, dass nun in China eine Blase platzt. Deutschland wäre betroffen.“ Wie wir heute wissen, haben sich diese Ängste und Befürchtungen nicht realisiert. Sowohl nach der damaligen Finanz- und Eurokrise als auch jetzt inmitten der Corona-Krise hat China die größten Wachstumsraten aller Industrienationen realisiert. Jetzt schreiben ahnungslose Journalisten: „Chinas Wirtschaft verliert an Schwung.“ Nachdem im Jahr 2020 das Bruttoinlandsprodukt Chinas „nur“ noch um 1,9 Prozent gestiegen war, betrug der Zuwachs 2021 8,2 Prozent; nach seriösen Schätzungen wird sich dieser Zuwachs in den Jahren 2022 bis 2025 zwischen sechs und sieben Prozent bewegen.

= Die Zahl der Mitglieder der SPD ist unter 400.000 gefallen und dieser Trend setzt sich fort – auch in anderen Parteien. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Bürger, die unsere Politiker und demokratischen Parteien hassen oder verachten rasant zu. Man schaue ins Internet oder auf die Anti-Impf-Aktivisten. Was müssen wir tun?

= Gute Entscheidung !!! Die EU-Kommission beginnt jetzt, Strafzahlungen von Polen einzuziehen, weil die dortige Regierung den einstweiligen Anordnungen des Europäischen Gerichtshofs nicht Folge leistet. Da Warschau sich weigert, das Geld zu überweisen, wird die EU-Kommission das Strafgeld (1,5 Millionen Euro täglich) von den Zahlungen abziehen, die Polen aus dem Gemeinschaftshaushalt zustehen.

= Die Kirchenaustritte erreichen im Erzbistum Köln einen neuen Höchststand.

= Fasern aus Polyester können als Stromquellen genutzt werden, wenn sie mit einer Mischung aus Aluminium und Zinkoxid beschichtet werden. Verwoben zu Textilien und auf der Haut getragen wirken sie als thermoelektrische Generatoren. Sie wandeln die körpereigene Wärme in elektrische Energie um. Damit lassen sich kleine tragbare Sensoren oder andere Wearables betreiben. Die Fasern entwickeln auch einen Kühleffekt von mehreren Grad. Davon können all jene profitieren, die bei der Arbeit großer Hitze ausgesetzt sind, etwa in der Stahlindustrie.

 

Vor über 70 Jahren endete in Paris ein delikater Prozess, an den die FAZ am 3.4.1999 unter dem Titel „Eine Bresche in die Mauer des Schweigens“ erinnerte:

Viktor Krawtschenko, ein Beamter bei der sowjetischen Einkaufskommission in Washington, kündigte am 2. April 1944 sein Ausscheiden an und stellte sich „unter den Schutz der amerikanischen öffentlichen Meinung“. Zwei Monate vor der Landung der Alliierten in der Normandie leitete diese Meldung das erste Kapitel in der Geschichte des Kalten Krieges ein.

Krawtschenko tauchte sofort nach seiner Kündigung unter; als ein politischer Dr. Kimble wechselte er von einem Versteck ins andere und verbrachte die beiden nächsten Jahre damit, in einem Erfahrungsbericht über sein Leben in der Sowjetunion einer ahnungslosen demokratischen Außenwelt die Gründe für seinen Bruch mit der totalitären Diktatur zu erklären.

Krawtschenkos Buch „Ich wählte die Freiheit“, das in 22 Sprachen übersetzt wurde, erschien im April 1946 in New York. Der Titel wurde zu einem geflügelten Wort. Die großen Verlage in Paris winkten ab, als ihnen die Rechte angeboten wurden. So kurze Zeit nach der „libération“ und der „epuration“ wollte sich keiner von ihnen mit der Sowjetunion anlegen und erst recht nicht mit der Kommunistischen Partei Frankreichs, die im November 1946 mit 28,6 Prozent der Stimmen als stärkste Partei aus den Parlamentswahlen hervorgegangen war. Dann fand sich ein kleiner Verlag und Krawtschenkos Buch wurde auch in Frankreich ein Bestseller.

Die kommunistische Kulturzeitschrift „Les Lettres francaises“ veröffentlichte unter der Schlagzeile „Wie Krawtschenko fabriziert wurde“ einen Artikel mit der Behauptung, Krawtschenkos Artikel sei im Auftrag des amerikanischen Geheimdienstes OSS von russischen Emigranten verfasst worden; Krawtschenko sei ein Gewohnheitstrinker, ein Betrüger und ein Geistesschwacher, dem von sowjetischer Seite Unterschlagungen zur Last gelegt würden.

Krawtschenko erhob im Februar 1948 bei der französischen Justiz Verleumdungklage gegen „Les Lettres francaises“ und deren Herausgeber Claude Morgan und den Chefredaktuer André Wurmser. Die Beklagten boten namhafte Zeugen auf, darunter Vercors, Verfasser des Widerstandsromans „Das Schweigen des Meeres“ und den Physiker Joliot-Curie, den Philosophen Roger Garaudy und den Erzbischof von Canterbury Dr. Johnson – sie alle bestritten Staatsverbrechen und Mißstände in der Sowjetunion. Der anglikanische Kirchenführer sagte in biblischer Schlichtheit: „Wenn Krawtschenko die Wahrheit schreibt, dann habe ich (in drei Büchern über die Sowjetunion) gelogen. Wenn ich die Wahrheit sage, dann hat er gelogen.“

Die russische Schriftstellerin Nina Berberowa, die für die in Paris erscheinende Exilzeitschrift „Ruskaja Mysl“ (Russisches Denken) den Prozess Tag für Tag verfolgte, schrieb später in ihren Erinnerungen: „Mit eigenen Ohren anzuhören, wie ein ehemaliger Minister oder ein weltbekannter Wissenschaftler, Träger des Nobelpreises, oder ein Professor der Sorbonne, die Ehrenlegion am Revers, oder ein berühmter Schriftsteller zuerst den Zeugeneid ablegte, um dann zu versichern, daß es in der Sowjetunion keine Konzentrationslager gebe und niemals gegeben habe, war einer der stärksten Eindrücke meines Lebens.“

Denn das war der Kern dieses Prozesses: die Existenz der Straflager als Element des sowjetischen Unterdrückungssystems und das war in Frankreich eine störende und verstörende Erkenntnis, in einer Zeit, in der viele, die zur politisch tätigen Generation gehörten, in deutschen Konzentrationslagern gewesen waren. Die Zeugen der Anklage waren keine Prominente, aber im Gegensatz zu diesen wussten sie, wovon sie sprachen: Bei ihren Aussagen zeichneten sich erstmals die Grenzen des „Archipel Gulag“ ab. Der Vorsitzende Richter fragte einen Zeugen, der 14 Jahre Zwangsarbeit hinter sich hatte, zuletzt beim Bau des Weißmeer-Kanals: „Wie viele Gefangene gab es im Lager?“ – „Etwa achthunderttausend.“ – „Welches Ausmaß hatte dieses Lager?“ – „Der Kanal war 280 Kilometer lang. Das war das Lager.“

Margarete Buber-Neumann, die drei Jahre Sibirien und fünf Jahre Ravensbrück überlebt hatte, schätzte, daß „ihr“ Lager zweimal so groß wie Dänemark war. Der Bericht der ehemaligen deutschen Kommunistin löste bei der Sartre-Gefährtin Simon de Beauvoir eigenartige Zweifel aus: „Wir begannen uns zu fragen, ob die Sowjetunion und die Volksdemokratien wirklich verdienten, sozialistische Länder genannt zu werden.“

Sartre stellte in seiner Zeitschrift „Les Temps modernes“ den sowjetischen Lagern, die nicht mehr in Abrede gestellt werden konnten, die Gefangenenlager auf den griechischen Inseln während des Bürgerkrieges und die Untaten der Kolonialmächte gegenüber. In jedem Fall stehe die Sowjetunion „grosso modo“ auf der Seite derjenigen, „die gegen die Ausbeutung des Menschen kämpfen“.

Dieses „grosso modo“ nimmt die „global positive Bilanz“ vorweg, die Jahrzehnte später der kommunistische Parteichef Marchais dem großen Bruder ausstellte.

Die unausweichliche Tatsache der Vergleichbarkeit der beiden totalitären Regime sprach vor Gericht kein bedeutender Denker aus, sondern ein ukrainischer Schlosser: „In Hitlers Deutschland, wo wir Dachau und Buchenwald gesehen haben, ist ein Diktator gestürzt worden. Ich sage euch: In Stalins Russland gibt es hunderte Buchenwald.“

Nach 25 Verhandlungstagen wurden die Beklagten in allen Punkten der Verleumdung für schuldig befunden und zur Zahlung einer symbolischen Summe von 100.000 alten Franc sowie den Kosten des Verfahrens verurteilt. Dabei erklärte sich das Gericht außerstande, „ein Urteil über das sowjetische Regime, wie es Krawtschenko gezeichnet hat“, abzugeben.

30 Jahre später nannte Claude Morgan, der sich nach der Niederschlagung des Ungarn-Aufstands 1956 von der Partei getrennt hatte, seinen Parteigenossen André Ulmann als Urheber der verleumderischen Fälschung: „Sie haben recht gehabt, Krawtschenko!“

Viktor Krawtschenko beging am 26. Februar 1966 in einem New Yorker Hotelzimmer Selbstmord.

Der Fall Krawtschenko hattte eine Bresche in die Mauer des Schweigens geschlagen, die nicht mehr zu schließen war.

 
 

Wenn Laufen gesund wäre, dann müsste der Postler unsterblich sein! Der Wal ….

schwimmt den ganzen Tag, isst Fisch und trinkt viel Wasser. Das Ergebnis: er ist fett !!

Ein Hase springt und hoppelt den ganzen Tag und lebt nur 15 Jahre. Eine Schildkröte jedoch tut nichts und chillt den ganzen Tag und lebt 150 Jahre!

Und jetzt will man mir erzählen, dass ein wenig Bewegung gut tut?

Nicht mit mir !!!